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Meister Li und der Stein des Himmels

Meister Li und der Stein des Himmels

Titel: Meister Li und der Stein des Himmels
Autoren: Barry Hughart
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dichte
Staubwolken, auf dem Boden lagen
    Steinbrocken, und ich mußte
mir tastend den Weg zu einem Seitenstollen suchen.
    Die einzigen Wege, die wir
kannten, waren die Rutsche und die Treppe, die zum Fluß hinunter führte, und es
wäre Selbstmord gewesen, sie zu benutzen. Wenn Meister Li das Falkensymbol
richtig deutete, mußten allerdings mehrere Seitengänge ins Tal hinausführen,
damit Mönche im Narrenkleid Bauern jagen konnten. Wir hatten Glück. Ich
stolperte über eine Treppenstufe und begann nach oben zu steigen. Aber
plötzlich stand ich vor einer glatten Mauer - eine Sackgasse!
    Meister Li hüpfte von
meinem Rücken, untersuchte zuerst die Rückwand, danach die Seitenwände, zog
dann irgendwo, und ein Lichtspalt erschien. Ich sah ein Stück blauen Himmel,
strahlende Sonne, weiße Wolken, und wir taumelten hinaus ins grüne Gras. Eine
Staubwolke folgte uns, und es gelang mir, die Tür zu schließen, die unsichtbar
in eine Felswand eingelassen war. Das Donnern verstummte, aber die Erde unter
unseren Füßen bewegte sich immer noch. Wir befanden uns auf dem rechten
Drachenhorn und blickten über die enge tiefe Schlucht zum Zwillingsgipfel und
zum Schloß von Prinz Lui Pao.
    Die Hügelkette bebte. Aus
den Eingeweiden der Erde drang gedämpftes Brüllen. Das Grab des Lachenden
Prinzen hatte sich wie ein Krebs in das Innere gefressen, aber nun traten die
Hügel in Aktion. Millionen kleiner Risse und Spalten tauchten überall im Tal
der Seufzer auf, als die Erde sich senkte und Hohlräume füllte. Höhlen, Grotten
und Gänge wurden zusammengepreßt. Staubfontänen stiegen pfeifend aus Löchern
auf und verteilten sich am Himmel. Die Erde erschauerte ein letztes Mal und
wurde wieder ruhig. Mondkind legte Klagende Morgendämmerung behutsam ins Gras,
fuhr ihr sanft mit den Fingern durch die Haare, und ich setzte mich weinend
neben sie. Meister Li hob den Kopf und beobachtete merkwürdige Staubwölkchen an
der Felswand auf der anderen Seite der Schlucht. Eine Tür wurde aufgerissen,
und eine kleine Gestalt wankte heraus. Eine dicke Staubwolke hing über allem.
Als sie sich hob, sah ich ein Narrengewand und ein Gesichtstuch, unter dem ein
paar leuchtend rote Haare zum Vorschein kamen. Die Gestalt drehte den Kopf nach
uns. »Oh!«
    »Irgendwie wußte ich, daß
du es schaffen würdest«, sagte Meister Li.
    Das Mädchen setzte sich auf
und klopfte sich den Staub aus dem Gewand. »Ich bin so froh, daß ihr in
Sicherheit seid«, sagte es in seiner schönen, etwas gestörten Stimme. »Ich
mache mir allerdings Sorgen um meinen Freund und seine Mönche, auch wenn ich
die Mönche nicht sehr mag. Habt ihr euren Freund mit den komischen Haaren
gefunden ?« Meister Li griff schnaubend nach dem
Weinschlauch. Seine Augen und seine Stimme waren kalt und wütend. »Wir werden
dir gleich die Perücke von deinem albernen Kopf reißen und dir den Stein von
den Lippen nehmen. Prinz, das Spiel ist aus. Wir müssen ein ernstes Wort
miteinander reden .«
    25.
    Mondkind und ich sperrten
Mund und Augen auf. Vermutlich tanzten die Pupillen im Weiß unserer Augen wie
betrunkene Delphine, als sich eine rote Perücke hob und ein Staubwedelkopf mit
schwarzen Haaren darunter zum Vorschein kam. Das Gesichtstuch fiel, und Prinz
Liu Pao zwinkerte uns zu. In den Händen hielt er einen Stein. Er war rund und
konkav gewölbt wie eine Schale. »Yang«, sagte er mit tiefer männlicher Stimme.
Er führte die andere Seite des Steins an die Lippen. »Yin«, sagte er in der
lieblichen weiblichen Stimme des Mädchens. »Ich muß wohl nicht hinzufügen, daß
die Mitte des Steins einen ganz außergewöhnlichen Ton hervorbringt«, sagte er
fröhlich mit seiner normalen Stimme. »Wegen der Vibrationen habe ich nicht
gewagt, ihn unter der Erde zu benutzen. Das zeigt, wie schlecht ich gerüstet
war, um es mit dem großen Meister Li aufzunehmen. Ihr habt nicht gezögert, die
ganze Anlage zum Einsturz zu bringen, und hättet mich beinahe wie eine Wanze
zerquetscht .« Der Prinz verneigte sich tief. Meister
Li brummte und schüttete den Inhalt seines Lederbeutels ins Gras. Er hatte ein
wasserdichtes Futter. Meister Li füllte ihn mit Wein und schnürte ihn zu. Er
hatte immer noch viel Kraft im rechten Arm, und der Beutel flog über die
Schlucht bis zum Prinzen. Die beiden prosteten sich höflich zu und tranken
durstig. »Es interessiert mich nur nebenbei, aber wie alt seid Ihr gewesen, als
Ihr den Einstieg in der Schlucht entdeckt habt ?« fragte Meister Li.
    »Zwölf«,
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