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Meines Bruders Moerderin

Meines Bruders Moerderin

Titel: Meines Bruders Moerderin
Autoren: Irene Rodrian
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Noten und den geschickten Interventionen ihrer Mutter musste sie ganz unten anfangen. Und obwohl sie in Barcelona aufgewachsen war, blieb sie für die anderen die Madrileña.
    Toni kam auch aus dem Norden. Aber bei ihm spielte das keine Rolle. Er hatte die Universität besucht, er war etwas besonderes, er war die neue Generation.
    Pia hatte sich für eine Frau extrem schnell hochgearbeitet. Sie hatte in allen Disziplinen die höchste Punktzahl. Sie konnte besser schießen als die männlichen Kollegen und ihre Erfolgsbilanz lag weit über Durchschnitt. Sie war eine von den knapp drei Prozent weiblichen Ermittlungsbeamten mit dem Titel inspector . Trotzdem immer noch die Madrileña. Oder die chica .
    Capitán Josep Bonet kam herein, zu spät wie immer. Er grinste. Er war ein hervorragender Kriminalist und ein guter Freund. » Hola , Süße, was machst du denn für ein Gesicht?
    » El jefe will den Bericht über die Drogenschießerei von gestern sofort und noch zwei Tage früher, und außerdem geht mir dieser Toni doctorado auf den Keks, dieser Minus-IQ, der auf meinen Job scharf ist. Sonst nichts von Bedeutung.
    Josep Bonet lachte und umarmte sie. Er war der dienstälteste Ermittler im Team. Hager und immer leicht gebeugt. Er musste zwischen vierzig und sechzig sein. Längst hätte er nach oben in die Verwaltung und in die höheren Gehaltsklassen gehört, aber er hielt sich schon seit Jahren in der aktiven Ermittlung, und keiner von den Jungen wagte es, Witze über ihn zu machen. »Das ist doch nichts Neues. Er ist ein Schwachkopf.« Bonet winkte zu Toni hinüber, und er und Silvi trennten sich hastig. Bonet lachte. »Siehst du, auch noch feige. Hör zu, ich wollte dich nur fragen, ob du mit zur Atelierparty kommst. Du weißt schon, Kemíl Martín. Seine fiestas sind Legende. Vermutlich ist es sein und unser aller letztes San Juan auf seinem Dach. Der ganze Komplex mit seinem Atelier wird demnächst abgerissen.
    Pia vergaß Toni, Sanchez-García und den Bericht. »Du kennst Kemíl Martín?! Woher?«
    »Kleine Drogenstory, reden wir nicht weiter darüber. Haschisch und ein bisschen Koks, nichts von Belang. Und seine Freundin Elena haben sie im Corte Inglés beim Klauen erwischt. Zwölf Tapagabeln, ich bitte dich!«
    Pia lachte. Sie mochte den capitán , Josep Bonet, obwohl ihr seine laxe Dienstauffassung ziemlich gegen den Strich ging. »Ich kann nicht. Ich schieb heute Nacht Dienst. Wenn irgendwas passiert, will ich nicht, dass dieser Babyarsch seine Nase vorschiebt.«
    »Ach, Schätzchen«, Bonet umarmte sie kurz, »das bringt doch nichts. Das ist, als wolltest du einen geilen Ehemann durch eine Liste mit Hausregeln am Seitensprung hindern.«
    »Aber was soll ich denn machen? Ich weiß doch, was er will und wie er arbeitet«, Pia schnaufte durch. »Und ich weiß auch, wie das alles hier läuft.« Bonet sah sie an. War da Mitleid in seinem Blick?
    »Vertrau auf deine Fähigkeiten. Sieh das einfach professionell. Du bist besser als er. Sehr viel besser.«
    Pia schrieb ihren Bericht fertig und brachte ihn zu Sanchez rein. Der schaute kaum hin.
    »Was soll denn das jetzt sein?! Zwei Seiten! Das hab ich ja alles schon in der Zeitung ausführlicher gelesen.«
    »Ich hab den Autopsiebericht noch immer nicht.«
    Sanchez starrte sie an. »Würde das viel ändern?«
    Pia starrte zurück. Öliges Machoarschloch. Hausgerüchte flüsterten von politischen Ambitionen. Sie konnte seine kleinen überheblichen Hirnsynapsen klicken hören. Er war sich so verdammt sicher. »Was genau erwarten Sie jetzt von mir? Dass ich Fakten fälsche, oder«, - räusper-, »verbiege? Dass ich den Fall so hinstelle, als wäre Jordi vollkommen unschuldig und unbewaffnet in das Messer von diesem blutrünstigen Ali gerannt?«
    Sanchez-García lehnte sich in seinem Superluxusdrehsessel zurück, federte ein paarmal und sah sie an. Lächelte. Lieb und charmant. Leise: »Könnten wir das denn machen?«
    Pia schüttelte den Kopf. » No, Señor , die Zeiten sind vorbei.« Sanchez verzog den Mund, es sah immer noch aus wie ein Lächeln.
    »Tja. Dann müssen wir da durch. Hatten Sie nicht eigentlich frei heute, chica ?«
    Pia quälte sich ein Lächeln ab und ging zurück zu ihrem Platz. Das war viel zu schnell gegangen. Sie sah zu Toni hinüber. Jetzt hackte er wie besessen auf seinen Computer. Was zum Teufel hatte er da zu tippen? Pia wusste von keinem akuten Fall.
    Es war noch immer extrem ruhig. Ein kleiner Junge hatte seinen Hund verloren, zwei deutsche
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