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Meines Bruders Moerderin

Meines Bruders Moerderin

Titel: Meines Bruders Moerderin
Autoren: Irene Rodrian
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eines absolut geschützten und gesetzlich genau definierten barrio ?«
    »Peseten«, er hob die Schultern, als wäre ihm schon das Wort peinlich. »Oder Dollars, wie Sie wollen. Ich hatte ein paar übrig und habe einen guten Teil davon hier in das Viertel gepumpt. Altenklub, Kindergarten, Kulturzentrum. Das kommt den Leuten zugute, mehr als noch sieben Palmen und eine Mahagonibank im Park.«
    Die Sonne ging unter, das Meer leuchtete erst gelb, dann tieforange und zuletzt blutrot auf. Barbara trank den letzten Schluck aus ihrem Glas. Reimann öffnete die Eisbox, die er mit heraufgebracht hatte. Er lächelte, kniete sich neben sie und packte aus. Noch eine Champagnerflasche, Eiswürfel, Nüsse, Oliven, Baguette, Ziegenkäse und hauchdünner Serranoschinken. Barbara versuchte das Vibrieren in ihrer Magengegend zu ignorieren. Sie hatte seit Tagen nicht mehr richtig gegessen, aber diese Art Vibrieren hatte mit Käse und Oliven nichts zu tun.
    Reimann füllte ihr Glas nach und stieß mit ihr an. »Danke, dass du gekommen bist.«
    Er hatte jetzt keine Sonnenbrille mehr auf, seine Augen waren grün. Barbara trank hastig. Es lag an dem verdammten Licht, dass man seine Falten nicht mehr sehen konnte und seine grauen Haare. Am Park und unten am Strand wurden immer mehr tartas in die Luft gejagt.
    Barbara musste plötzlich lachen. Nahm eine Olive, viel half es nicht. »Die armen Patienten da drüben im Hospital del Mar, die bekommen heute sicher eine Dreifachration Schlafpillen.«
    Reimann lachte mit ihr. »Die sind das gewöhnt, die Strand kioskos dröhnen doch immer rund um die Uhr. Das war auch nicht immer eine Klinik, früher war's ein Kurheim. Damals, als sich noch kein Mensch auszog, um sich an den Strand zu legen oder ins Meer zu stürzen.«
    »Sie sind gut informiert.«
    »Ich lebe hier.«
    »Und in Zürich, München und London«, Barbara blieb cool, sie wusste Bescheid.
    Reimann grinste, wurde wieder ernst. »Paris, Miami, Barbados, die Medien wissen nicht alles.« Stimmen, Musik.
    Hinter dem Park explodierte eine riesige silbernpurpurne Blüte über dem Meer. Barbara hatte Mühe, sich gegen seine Präsenz zu wappnen. »Was wollen Sie wirklich von mir?«
    Zuerst dachte sie, er habe sie nicht verstanden. Aber dann wandte er sich ihr zu. Langsam, fast wie unter Zwang. Seine Stimme war sehr leise, so als würde er nur mit sich selber sprechen. »Ich möchte Ihnen einen Job anbieten. Für zwei Millionen Euro.«
    Barbara glaubte sich verhört zu haben. Zwei Millionen Euro, das wären ja nach alter Rechnung vier Millionen D-Mark oder drei Millionen Dollar, eine Summe, die man gar nicht in Peseten umrechnen konnte, weil dabei viel zu viele Nullen herauskamen. Barbara schenkte sich Champagner nach. »Soll das ein Witz sein?«
    »Nein«, Reimann sah sie nicht an, schaute wie sie auch hinaus aufs Meer und die in immer kürzeren Abständen explodierenden tartas . »Ich will ehrlich sein. Ich kenne Sie. Ich beobachte Sie schon lange. Ich habe Sie ausgesucht.«
    »Ah ja«, Barbaras Stimme war flach. Jetzt kam die Wahrheit heraus. »Ich höre«, sie wich aus, als Reimann nach ihr griff. Er zog seine Hand sofort zurück.
    »Sie sind in München geboren. Vater unbekannt, Ihre Mutter hat Sie als Baby zur Adoption freigegeben. Aber es gab keine Interessenten. Sie waren zu klein, zu krank. Darauf folgten Jahre in Waisenhäusern und Jugendheimen. Immer wieder versuchten Sie auszubrechen, mit dreizehn gelang es Ihnen. Sie kamen bis nach Barcelona. Ihre Alternativen damals waren Prostitution oder Diebstahl. Sie entschlossen sich für die zweite Variante und wurden erwischt. Vom schon damals alten Pablo el Rey, der Sie in seine berüchtigte Akademie der Taschendiebe aufnahm und zur Meisterin ausbildete. Sie waren seine letzte Schülerin.« Reimann schenkte Champagner nach.
    Über dem Meer erblühte eine Rosette in Blau, Gold und Grün. Barbara hatte Mühe zu atmen. Er wusste alles über sie. Er hatte sie ausgeforscht. Nichts hier war Zufall. Sie dachte an die vermeintliche Sicherheit ihrer kleinen Dachwohnung in der Calle de la Llibreteria und an Fritz the cat, den rotgetigerten Chef aller Dächer im barrio gótico , ihren einzigen Freund. Bevor er sich nach langem Zögern entschloss, bei ihr zu bleiben, war er ein zerzauster Streuner gewesen, vermutlich würde er auch ohne sie überleben können. Wenn sie nicht mehr heimkam. Wenn ihr etwas passierte. Zwei Millionen Euro. Ihre Stimme krächzte. »Warum?«
    »Ich habe jemanden gesucht, der
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