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Meine Wut rettet mich

Meine Wut rettet mich

Titel: Meine Wut rettet mich
Autoren: Marlis Prinzing
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Kirche, das Gespräch mit Benedikt XVI. bringe die Ökumene voran, wurde aber enttäuscht. Ökumene gehört auch zu Ihren großen Anliegen. Befürchten Sie, dass die Ökumene in Deutschland nun ins Stocken gerät?
    Bezogen auf die Ökumene vor Ort habe ich keine Befürchtungen. Auch im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen 107 nicht. Wir pflegen mit Weltgebetstagen und überkonfessionellen Feiern eine sehr lebendige Ökumene. Dass wir auf der Ebene des theologischen Gesprächs aber offenbar an eine Grenze gekommen sind, finde ich ebenso evident. Die Frage ist, ob man das nur bedauern muss oder ob es nicht auch so etwas gibt wie eine kluge Akzeptanz, dass es so ist. Jedenfalls glaube ich, dass mit Benedikt XVI. da keinerlei Fortschritte zu erwarten sind, z.B. in Bezug auf eine gemeinsame Abendmahlfeier, und sei es zunächst erst einmal nur für interkonfessionelle Ehen. Das war eindeutig. Wir sind als evangelische Kirche inzwischen so selbstbewusst zu sagen: »So ist es dann, das muss dann auch gar nicht sein.« Vor ein paar Jahren flammte ein weiteres Mal der Streit auf, ob Rom uns nun als Kirche anerkennt. 108 Auch so etwas nehmen wir inzwischen gelassener. Wenigstens nehme ich das so wahr. Diese Gelassenheit ist klug. Denn das Gespräch mit den katholischen Geschwistern, sowohl mit katholischen Priestern als auch zwischen katholischen und evangelischen Laien, ist sehr lebendig und hat viel mehr Gemeinsamkeiten als Trennendes.
    Auf welchem Stand ist, aus Ihrer Warte, der interreligiöse Dialog, also das Gespräch mit anderen Weltreligionen?
    Wir sind auf dem Weg, aber erst am Anfang. Ich bin gespannt auf den Garten der Weltreligionen, der in Hamburg im Rahmen der Internationalen Gartenschau 2013 angelegt wird. 109 Hier und andernorts gibt es zudem im Kleinen konkrete Ansätze und Orte, wo Religionen sich im Leben und im Gebet begegnen. Auch auf der Ebene von Politik und Gesellschaft wollen wir Zeichen setzen: Die Vertreter aller Religionen haben gemeinsam die Aufgabe, von Gott zu reden und fundamentalistischen Tendenzen entgegenzuwirken. Unser gemeinsames Gespräch braucht den Blick auf die friedliebenden Seiten unserer Religionen.
    Als weiteres Anliegen nannten Sie die Mission. Was heißt dies in diesem Kontext?
    Die Ökumene der Weltreligionen und die Ökumene gegen Gottvergessenheit bedeutet auch, Menschen einen Weg zu Gott zu zeigen und ihnen nahezulegen, dass sie mit Gott in ihrem Leben rechnen. Das kann eine muslimische Mission für muslimisch geprägte Personen sein oder eine christliche für christlich geprägte. Die Mission der jeweils Andersgläubigen hingegen ist ein heikles Feld. Sie entfacht eher Feindseligkeit. Ein Beispiel ist der Streit um das Karfreitagsgebet. 110 Die Bereitschaft, andere Religionen und ihre Unterschiede zum Christentum zu akzeptieren, ist oft gering.
    Verstehe ich Sie richtig: Mission heißt für Sie heute schlicht, der jeweiligen kulturellen Tradition und Historie folgend Menschen für den Glauben zu gewinnen?
    Ja.
    „ Ich möchte Bedingungen schaffen, dass andere gut sein und ihre Möglichkeiten und Potenziale entfalten können. ”
    Als Bischöfin werden Sie noch viel stärker als bislang als Führungsperson wahrgenommen. Was heißt für Sie »Führung«?
    Ich möchte Bedingungen schaffen, dass andere gut sein und ihre Möglichkeiten und Potenziale entfalten können.
    Durch Führung erwirbt man Macht. Was bedeutet »Macht« für Sie?
    Macht ist für mich positiv besetzt. Macht heißt, dass es eine Kraft gibt, etwas gestalten zu können, und dass einem nun diese Kraft gegeben ist. Formal betrachtet, werden einem Funktionen und Aufgaben übertragen, die andere nicht haben. Hinzu kommt wesentlich der Segen, also eine Kraft, die einem ermöglicht, diese Aufgaben überhaupt zu erfüllen. Und dann gehört dazu Einsamkeit. Man muss sich auch mal hinstellen und sagen: »Das muss jetzt die Linie sein.« Wissend, dass man irren kann. Zur Macht gehört auch Geradlinigkeit.
    „ Zur Macht gehört auch Geradlinigkeit. ”
    Die Fusion zur Nordkirche an Pfingsten 2012 drängt Sie möglicherweise in die zweite Reihe zurück hinter einen gemeinsamen offiziellen Landesbischof. Das dürfte auch einen Machtverlust bedeuten.
    Nein. Das wird oft hierarchischer verstanden, als es ist. Ich habe vor einigen Jahren den Prozess zur bischöflichen Leitungsstruktur mitmoderiert. Es ging und geht nicht um eine Hierarchie im Sinne eines »Oberbestimmers«, der begleitet wird von
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