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Meine Wut ist jung

Meine Wut ist jung

Titel: Meine Wut ist jung
Autoren: Gerhart Baum
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Bedingungen. Dazu gehörte, dass ausgerechnet der CSU-Politiker Friedrich Zimmermann - unser erbitterter Gegner in Sachen Rechtsstaat - zu meinem Nachfolger bestimmt wurde. Aus all diesen Gründen konnte ich auch das Angebot, als Justizminister in das Kabinett Kohl einzutreten, nicht annehmen.
    Aktuell ist die Parteienlandschaft sehr in Bewegung und die Liberalen haben an Zustimmung verloren. Braucht das Land überhaupt noch eine Partei wie die FDP?
    Unbedingt. Es wäre eine Verarmung des Parteienspektrums, wenn wir auf die politische Kraft einer liberalen Partei verzichten würden. Andere Parteien können die FDP nicht ersetzen, auch wenn sie partiell liberale Ziele verfolgen. Diese werden verstärkt und sichtbar aktiviert, wenn die Liberalen mit anderen Parteien koalieren. Eine wirkliche Existenzberechtigung hat die FDP aber nur dann, wenn sie konsequent liberal auf allen Feldern der Politik auftritt. Es geht um ein rundum liberales Lebensgefühl, das bei jeder politischen Entscheidung sichtbar werden muss.
    Wenn ich Sozialdemokraten und Grüne genau betrachte und ihre Parteitage verfolge, ist ganz offensichtlich, dass sich hier keine konsequent liberalen Parteien zu Wort melden. Mir fallen immer wieder Entscheidungen auf, die sich mit Bevormundung und Umverteilung mehr beschäftigen als mit freier Entfaltung der Persönlichkeit. Auch CDU und CSU haben liberale Defizite. Ich nenne als Stichworte nur das Betreuungsgeld und die nicht marktwirtschaftlich durchdachten Folgen der überhasteten Energiewende.
    Eine Partei mit einem Profil, wie die FDP es sich einst in dem Freiburger Programm von 1971 gegeben hat, kann in unserer Demokratie nie überflüssig sein. Ich meine die in diesem Programm zum Ausdruck kommende liberale Grundauffassung. Einige politische Schlussfolgerungen sind allerdings von der Zeit überholt worden. Die Partei ist damals von Persönlichkeiten wie Dahrendorf, Maihofer und Flach geprägt worden. Sie haben liberales Denken in die Partei eingebracht, aus dem sich dann die Tagesentscheidungen ableiten ließen. Die FDP von heute ist auch deshalb verarmt, weil einflussreiche Intellektuelle keinen Anlass sehen, sich für diese Partei zu engagieren.
    Die FDP von heute unterscheidet sich deutlich von der Partei des Freiburger Programms. Man hat den Eindruck, sie habe die damals verabschiedeten Thesen aus den Augen verloren.
    Da stimme ich Ihnen zu und darin sehe ich auch eines der Probleme für die fehlende Akzeptanz der Liberalen. Die Partei hat sich meines Erachtens schon seit langer Zeit von meinen Idealvorstellungen wegbewegt. Als besonders fatal empfinde ich, dass sie nahezu zu einer Einthemenpartei geworden war. Erst jetzt öffnet sie sich wieder. Die Wahlerfolge zurzeit des Vorsitzenden Westerwelle haben über die Defizite hinweggetäuscht.
    Wenn ich mir die Programme der letzten Jahre ansehe - auch wenn sie Richtiges zum Ausdruck bringen -, so brennt darin kein liberales Lebensgefühl, das sich bisher auf die Wähler übertragen hätte. Doch schon vor der Wende von 1982 - auf einem Parteitag in Kiel 1977 - begann die Abkehr von den Grundsätzen des sozialen Liberalismus, wie er im Freiburger Programm definiert war. Meine Freunde und ich hatten einen Programmentwurf mit dem Titel »Aktuelle Perspektiven des sozialen Liberalismus« erarbeitet. Er unterlag in wesentlichen Teilen einem vom Wirtschaftsflügel vorgelegten Gegenentwurf. Unsere Themen waren - neben einer neuen Definition des Sozialstaates in einer freien Wirtschaftsordnung - Vertiefung der Demokratie, Verteidigung des Rechtsstaats, Schutz der Umwelt und eine Bildungspolitik der Chancengleichheit. Schon damals begann die Entwicklung zu einem Liberalismus, von dem Peter Sloterdijk 2011 sagte, dass dieser »eher für ein Leben auf der Galeere der Habsucht steht«.
    Man darf als liberale Partei nicht den Eindruck erwecken, als ginge es ihr eigentlich nur um »mehr Netto vom Brutto« - um den Kern des Übels beim Namen zu nennen. Jeder Mensch, der politisch denkt, macht sich Gedanken, welchen Spielraum die Steuerpolitik für freie Entfaltung lässt. Aber dabei dürfen die gesamtgesellschaftlichen Zusammenhänge nicht aus den Augen verloren werden. Wie sieht es aus mit dem gesellschaftlichen Zusammenhalt? Was tun wir für ein ausgeglichenes soziales Verhältnis in unserem Land? Ganz konkret: Wie schaffen wir Gerechtigkeit? Hier gibt es Handlungsbedarf, gerade für eine liberale Partei, die Freiheit und Selbstverantwortung, aber auch
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