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Meine Wut ist jung

Meine Wut ist jung

Titel: Meine Wut ist jung
Autoren: Gerhart Baum
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erfolgreichen Opposition in die Rolle der Regierungspartei misslang. Das war der Anfang vom Ende der Ära Westerwelle. Seitdem kommt die FDP in Umfragen auf Bundesebene kaum über fünf Prozent. Dieses Scheitern lässt sich sicher nicht mit einem einzelnen Fehler schlüssig erklären. Da spielt manches zusammen, was man in der Parteiführung wohl zu lange unterschätzt hatte. Vor allem aber waren es die eigenen Fehler.
    Zum Beispiel: Die Begünstigung der Hoteliers durch eine Senkung der Mehrwertsteuer war in der Außenwirkung für die FDP verheerend, weil das bestehende Urteil, sie orientiere sich nicht am Gemeinwohl, sondern an ihr nahestehenden Interessengruppen, als voll bestätigt angesehen wurde. Dass auch andere Parteien die ihnen nahestehenden Wählergruppen schützen, gerät dabei rasch aus dem Blick. Dass man das Entwicklungsministerium mit einem Mann besetzte, der vor der Wahl dessen Abschaffung gefordert hatte, ist ein weiteres Beispiel für Unglaubwürdigkeit.
    Insgesamt entstand der Eindruck, diese Partei sei nicht reif für das Regieren, sondern befasse sich mehr mit sich selbst und den eigenen Interessen. Zum Vertrauensverlust führt nicht nur die Tatsache, dass die versprochene Steuersenkung eine Luftbuchung blieb. Sie konnte nicht realisiert werden. Sondern man hätte auch schon lange vor dem Machtwort der Bundeskanzlerin klar sehen müssen, dass - von einigen Steuerkorrekturen abgesehen - Schuldenabbau absoluten Vorrang haben musste. Die schwarz-gelbe Koalition unter Angela Merkel bot von Anfang an kein überzeugendes Bild. Das lag und liegt nicht allein an der FDP, sondern auch zu einem nicht geringen Teil an den Eigenwilligkeiten von Horst Seehofer und an der Bundeskanzlerin, die die Interessen ihrer eigenen Parteien ohne Rücksicht auf den Koalitionspartner wahrnehmen.
    Diese Feststellung ändert nichts an der Tatsache, dass wichtige Entscheidungen der Koalition, etwa in der Europapolitik, sich sehen lassen können. Die FDP hat ordnungspolitische Zeichen gesetzt mit der Ablehnung einer Auffanggesellschaft in Sachen Schlecker. Ihrem Einsatz ist die Wahl von Gauck als Bundespräsident zu verdanken. Sie versucht jetzt auch, die unüberlegten Folgen der überhasteten Energiewende für Wirtschaft und Verbraucher abzumildern. Das könnte durchaus ein Thema für die nächste Bundestagswahl werden. Die FDP muss lernen, sich mit realisierbaren Zielen deutlicher gegenüber den Koalitionspartnern zu profilieren.
    Ein klassisches FDP-Thema, nämlich die Wahrung der Freiheitsrechte im digitalen Zeitalter, ist bisher wenig von Ihrer Partei wahrgenommen worden. Warum lief das an ihr so vorbei?
    Das ist so nicht zutreffend. Ich selbst und andere haben schon lange gespürt, dass sich hier ein neues Politikfeld eröffnet. Zentrale Bedeutung hatte für mich die von meinem Neffen Peter Schantz, einem jungen Rechtsanwalt, und mir eingereichte Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz in NRW, das die Durchsuchung und Überwachung von Computern ermöglichen sollte. Das Gesetz wurde im Jahr 2008 vom Bundesverfassungsgericht aufgehoben und die Online-Durchsuchung wurde an strenge Voraussetzungen geknüpft. Es ist ein Grundsatzurteil, mit dem praktisch ein neues Grundrecht etabliert wurde, nämlich der Schutz eigengenutzter, informationeller Systeme.
    Damit waren die Verfassungsrichter im Computerzeitalter angekommen. Nur sind bisher die Schlussfolgerungen und die Aufträge an den Gesetzgeber, für den Schutz im öffentlichen und privaten Bereich zu sorgen, nicht vollzogen worden. Es handelt sich langsam um ein vergessenes Urteil.
    Immer wieder habe ich in den letzten Jahren gefordert, den Datenschutz als Freiheitsthema ersten Ranges ernst zu nehmen. Das Internet ist ein unverzichtbarer, neuer Lebensraum, aber es darf die Grundrechte nicht überrollen. Es geht nicht nur um den Schutz der Privatheit, sondern auch um die Begrenzung wirtschaftlicher Macht, wie sie von Datenimperien wie Google und Facebook beansprucht werden. Dies alles sind hochaktuelle Themen, ganz zugeschnitten auf eine liberale Partei.
    Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat auf diese Herausforderungen reagiert. Ich erwähne ihren Widerstand gegen Netzsperren, gegen das internationale Patentschutzabkommen ACTA, ihren Kampf gegen Missbrauch der sogenannten Trojaner und ihre Initiative gegen eine Pervertierung des Abmahnrechts im Netz. Sehr schwierig ist es unter den neuen Bedingungen der Kommunikationstechnologie, die Leistungen der Kreativen in unserer
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