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Meine Wut ist jung

Meine Wut ist jung

Titel: Meine Wut ist jung
Autoren: Gerhart Baum
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sich immer bewusst sind, dass zwischen der Zerstörung Dresdens und der deutschen Kriegsschuld ein untrennbarer Zusammenhang besteht. Ich bin stolz darauf, wie Dresdner Bürger heute den Neo-Nazis entgegentreten, die die Zerstörung der Stadt für ihre verfassungsfeindlichen Ziele missbrauchen wollen. Für mich ist diese Stadt ein Ort der eigenen Erinnerung, aber auch ein Ort, um Geschichte zu verstehen - und ein Ort der Freundschaft.

»Die FDP muss sich neu denken«
    Die Liberalen, ihre Rolle und ihre Perspektive
    Was hat Sie veranlasst, Ihre Partei in den letzten Jahren immer wieder öffentlich zu kritisieren?
    Durch meine langjährige aktive Tätigkeit in der FDP sehe ich mich dazu berechtigt. Immerhin habe ich einen großen Teil meines Lebens in diese Partei eingebracht. Ich bin bald 60 Jahre Mitglied, jahrzehntelang habe ich Ämter bekleidet. Ich war 30 Jahre im Bundesvorstand, neun Jahre stellvertretender Bundesvorsitzender und zehn Jahre an der Basis, Kreisvorsitzender in Köln. Statt mit mir in eine inhaltliche Diskussion einzutreten, haben meine Gegner mich wegen meiner öffentlichen Vorgehensweise in der letzten Zeit kritisiert.
    Ich wurde immer zorniger und habe nicht nur das öffentlich ausgesprochen, was ich selbst empfand. Ich fühlte mich auch bestätigt durch zahlreiche liberal gesinnte Menschen, die von der FDP zutiefst enttäuscht waren und mir dieses bei vielen Begegnungen zum Ausdruck brachten. Dabei wurde immer zwischen meinem politischen Profil und dem der gegenwärtigen FDP unterschieden. Das hat mich zutiefst geärgert. Warum gehöre ich einer Partei an, mit der die Menschen mich nicht mehr identifizieren!
    Das zweite Motiv liegt darin, dass mich die Entwicklung der FDP seit 1982, vor allem aber in der Ära Westerwelle, mit wachsender Sorge erfüllt hat. Das betrifft die Inhalte, den Stil bei politischen Auseinandersetzungen und zum Teil die Repräsentanten der Partei.
    Der Vertrauensverlust in die FDP ist zurzeit so groß wie noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik. Würden Sie als junger Mann heute in diese Partei eintreten?
    Auch 1954, als ich mit Anfang 20 Mitglied wurde, war die FDP nicht gerade attraktiv und wir haben lange kämpfen müssen, um wirklich liberale Positionen durchzusetzen. Eine schwierige Frage, wie ich mich als junger Mann heute verhalten würde. Die liberale Idee, verkörpert in einer durch und durch liberalen Partei, würde mich immer noch anziehen.
    Zurzeit verlieren Parteien viele Mitglieder. Das trifft besonders auf die FDP zu. Haben Sie schon mal mit dem Gedanken gespielt, Ihr Parteibuch zurückzugeben?
    Einen schweren Konflikt gab es für mich im Jahr der Wende 1982, als die FDP die sozialliberale Koalition platzen ließ. Ich stand auf der Seite von Bundeskanzler Helmut Schmidt und konnte dieses Manöver nicht akzeptieren, auch wenn die FDP für den Bruch nicht allein verantwortlich war. Wie mir ging es damals vielen Linksliberalen. Nicht wenige haben die Partei verlassen, zum Beispiel Günter Verheugen, Ingrid Matthäus-Meier oder Andreas von Schoeler. Auch ich überlegte, ob das von mir strikt abgelehnte konstruktive Misstrauensvotum gegen Schmidt nicht ein Grund sei, mich zu verabschieden. Doch dann wollte ich lieber kämpfen und wusste, es gibt noch andere in der Partei, die so dachten wie ich. Hildegard Hamm-Brücher und Burkhard Hirsch zum Beispiel. Auch sie blieben und wollten auch nicht vor dem wirtschaftsliberalen Flügel einknicken. Ich wurde dann sogar stellvertretender Parteivorsitzender, wenn auch mit nur einer Stimme Mehrheit.
    Was hat Sie veranlasst, dem Kurs von Lambsdorff und Genscher nicht zu folgen?
    Es war der Vertrauensbruch gegenüber den Wählern von 1980 und der politische Richtungswechsel in eine zunehmend wirtschaftlich orientierte Partei, weg vom sozial-liberalen Freiburger Programm. Diese Gründe habe ich als Sprecher der 18 Fraktionsmitglieder, die wie ich die Wende ablehnten, in der dramatischen Bundestagsdebatte von Oktober 1982 dargelegt. Nicht alle Befürchtungen sind eingetreten. Genscher konnte die Deutschland- und Ostpolitik der sozial-liberalen Koalition fortsetzen. Übrigens waren es nicht nur Prominente, die damals die Partei verlassen haben. Es gab bei Mitgliedern und Wählern einen Aderlass, der bis heute nachwirkt.
    Ich habe mich später oft gefragt, ob nicht ein geordneter und auch vor den Wählern begründbarer Koalitionswechsel möglich gewesen wäre. Sicher nicht zu diesem Zeitpunkt und nicht unter diesen
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