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Meine Suche nach der besten Pasta der Welt

Meine Suche nach der besten Pasta der Welt

Titel: Meine Suche nach der besten Pasta der Welt
Autoren: Maiwald Stefan
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es brillant auf den Punkt bringt: »Mia nonna mangiava i fiori«, auf Deutsch: »Meine Oma aß Blumen.« Genau so fühle ich mich bei Pesto – als würde ich herzhaft in eine Wiese beißen. Mag es auch eine saftig grüne ligurische Wiese mit Blick aufs Tyrrhenische Meer sein: Für mich bleibt es Gras.

Grado, Friaul
Küchenchef der Herzen

    I ch wollte ja joggen, um in den Monaten des Schlemmens locker mein Gewicht zu halten. Ich habe dieses Vorhaben dann doch nur sehr sporadisch verfolgt. Es wäre doch gar zu albern gewesen, jeden Morgen die Laufschuhe zu schnüren und diese wunderbaren konsumierten Kalorien schnöde wieder auszuschwitzen. Außerdem hatte ich zumeist einen leichten Kater vom Vorabend.
    Zum Glück hatte ich auf meiner Reise in den Hotels nie eine Waage vorgefunden, und ich war schon sehr gespannt, ob ich die 90 Kilogramm gerissen hatte. Ich war mir fast sicher. Daheim angekommen, zeigte die Waage an: 90,1 Kilo. Das war zwar über der Schmerzgrenze, aber weniger als erwartet. Es war der
Preis, den ich für meine Nudelreise gern zu zahlen bereit war.
    Aber es fehlte ja noch der Beweis, dass die Reise mehr gebracht hat als ein paar Kilo Übergewicht und eine verdächtige Bräune im Gesicht. (Ich habe es seit jeher schwer, das, was ich tue, als harte Arbeit zu verkaufen.) Das Dorf konnte ich nicht mehr bekochen, denn die touristische Saison war gerade losgegangen, und man war mit Wichtigerem beschäftigt. Das süße Nebensaisonleben war vorbei. Aber meine Schwiegermutter, der musste ich es zeigen. Ich musste ihr zeigen, dass das Bratkartoffel-Desaster nur ein einmaliger Ausrutscher war. Ich wollte ihr zeigen, dass ich in der Lage war, meine Familie mit schmackhafter Nahrung zu versorgen, ohne dabei die Nummer des Pizzabringdienstes zu wählen.
    Wie bereits geschildert, war ich ohne Rezepte von meiner Reise zurückgekommen, denn ein Rezept ist immer ein kleiner Tod der Kreativität. Ich wollte mich sogar an eine Faella-Pasta wagen. Das war besonders schwierig, denn Faella druckte nicht mal Kochanweisungsminuten auf der Packung. Ich weiß, ich hätte auch Pasta selbst machen können, aber ich dachte, wenn ich Faella nehme, hätte ich schon mal eine Unwägbarkeit (meine zwei linken Hände) ausgeschaltet. Es würde sicher auch so noch kompliziert genug werden.
    Ich hatte mir ein ganz besonderes Gericht ausgedacht: Spaghetti mit Gamberi, Knoblauch und Cashewkernen. Es ist das einzige Pastagericht, das ich schon vor meiner Reise halbwegs hinbekam, und es war darüber hinaus meine Erfindung. Abgesehen von der geächteten
Bolognese, habe ich mehr als dieses Gericht nicht drauf, deswegen kann ich jeden Freund von mir immer nur genau ein Mal zum Essen einladen.
    Meine Schwiegermutter war nicht begeistert von der Idee, dass ich für sie kochen würde. Als ich sie am Telefon für den nächsten Abend einlud, lachte sie laut. »Sag mir die Zutaten, und ich sag dir, ob ich komme.« Doch ich verriet nichts, und schließlich akzeptierte sie die Einladung. Ich hatte extra dafür gesorgt, dass kein AC-Mailand-Spiel anstand, also war sie jeder Ausrede beraubt.
    Grado hat fünf Supermärkte, und in einem davon gibt es sogar das wunderbare Weihenstephaner Weißbier, das es nicht einmal in meinem Supermarkt in München-Schwabing gibt. Doch am Morgen des entscheidenden Tages stellte ich fest, dass keiner jener fünf Supermärkte die so wichtigen Cashewnüsse ( anacardi ) führte. Auch der Feinkosthändler zuckte mit den Schultern und schob die Unterlippe auf diese unnachahmliche Weise vor, wie es nur Italiener oder Franzosen können. Konnte das wahr sein? Es stimmte, bislang hatte ich meine Erfindung immer nur in meinen Strohwitwerzeiten in München gekocht. Natürlich, ich hätte umdisponieren können, aber ich verrannte mich und kaufte stattdessen geröstete Mandeln. Oberhalb des Magens spürte ich etwas Kühles, Metallisches – es war die erste Regung eines Gefühls namens Panik.
    Meine Schwiegermutter hatte es nicht weit zu uns, denn italienische Familien wohnen immer irgendwie auf einem Fleck. Von ihrer Wohnung zu unserer Wohnung
sind es keine 300 Meter. Das Wort »kommen« ist bei meiner Schwiegermutter allerdings eine Bezeichnung, die dem Ereignis nicht gerecht wird. Sie kommt nicht nur, sie erobert. Wenn sie in einem Raum steht, schrumpfen die Möbel. Man erwartet fast ein wenig Comic-Magie von ihr, beispielsweise dass alle eisenhaltigen Gegenstände auf ihren angestammten Plätzen zu zittern anfangen, plötzlich auf
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