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Meine Schwiegermutter trinkt - Roman

Meine Schwiegermutter trinkt - Roman

Titel: Meine Schwiegermutter trinkt - Roman
Autoren: Diego de Silva
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aufsteht und sich ihre Tasche über die Schulter hängt.
    »Bitte, Vincenzo«, sagt sie, als sie sich zu mir herabbeugt.
    »Ja?«
    »Wenn ich dich anrufe, geh bitte nicht ran.«
    Ich schaue sie an. Wortlos.
    Sie küsst mich noch einmal, ohne Zunge.
    Auch ich rappele mich hoch.
    Sie drückt mir leicht mit ihrer Hand auf die Schulter, und sobald sie sich sicher ist, dass die Botschaft bei mir angekommen ist, geht sie.
    »Den Negroni nehme ich wieder mit, wenn du möchtest«, sagt der schopfpustende Kellner, der im selben Moment urplötzlich mit dem Getränketablett in der Hand aus dem Dunkel auftaucht.
    ›Schöne Blamage‹, denke ich mir.

Die Dinge ändern sich
    Seit Alessandra Persiano weg ist, schlafe ich mit angeschaltetem Handy. Da ich auf einem Ohr nicht so gut höre, habe ich es unter dem Kopfkissen und auf Vibration gestellt.
    Diese unwürdige Praxis hat dazu geführt, dass sich alle paar Stunden – wenn sich irgendwelche Aktualisierungen aufspielen – automatische Unterbrechungen meines Schlafs eingebürgert haben, damit ich nachsehen kann, ob eventuell Anrufe und/oder Nachrichten eingegangen sind: um zwei, um vier, um halb sieben.
    Überflüssig zu sagen, dass ich genau aus diesem Grund beschissen schlafe und dass mir ab dem frühen Nachmittag regelmäßig das Gesicht aus der Fasson rutscht.
    Aber gestern Abend, als ich von dem furchtbaren Tête-à-Tête mit Irene zurückkam, ist mir was wirklich Seltsames passiert. Ich habe das Handy aus der Jackentasche gezogen; habe es angeschaut; dachte mir (als wäre das die logischste Sache auf der Welt), dass ja nirgendwo geschrieben steht, dass ich mir schon wieder meine Nachtruhe vergällen lassen muss, und habe es kurzerhand ausgeschaltet .
    Daraufhin stellte sich eine superb politische Erleichterung ein, da ich feststellen konnte, wie schnell man wieder ein freier Mann werden kann.
    Und nicht nur das: Ich habe mir unter korrekter Anwendung der Zahnbürste (sie also von oben nach unten bewegend und nicht wie sonst immer nur schlampig in der Horizontalen schrubbend) die Zähne geputzt, habe das Licht aus- und die Augen zugemacht.
    Aber was soll ich sagen?
    Auf einmal konnte ich die allnächtliche Invasion der Schuldgefühle, die mich sonst überrollt, sobald ich mich hinlege, einfach ignorieren.
    Ich habe allen Ernstes bis neun Uhr morgens geschlafen.
    Wirklich nicht zu glauben.
    Um zehn schalte ich das Handy wieder an (eine Tageszeit, die für jemanden, der seinen Lieben hörig ist und sich deshalb lange zur ständigen Erreichbarkeit verdonnert hat, schlichtweg unvorstellbar ist) und verderbe mir den Kaffee, weil ich darauf warte, dass ein Faultier den ›Corriere‹ freigibt, der den Kunden dieser Bar kostenlos zur Lektüre angeboten wird.
    Drei entgangene Anrufe: zwei von Assunta und einer von einer unbekannten Nummer.
    Gerade will ich Ass anrufen, als ein Anruf mir einen Strich durch die Rechnung macht (die Nummer kommt mir identisch mit der gerade gelesenen vor).
    Ich will ihn spontan abweisen, gerate aber mit den Befehlen durcheinander (wer nicht multitaskingfähig ist, für den ist ein Alleskönner-Handy die pure Überforderung) und nehme den Anruf schließlich doch entgegen.
    »Ja«, sage ich (und klinge, als wollte ich in Wirklichkeit sagen: ›Nein‹).
    »Spreche ich mit Anwalt Malinconico?«
    Ich bin so frustriert darüber, dass ich den ursprünglich geplanten Anruf verschieben und stattdessen mit jemand sprechen muss, von dem ich nicht mal weiß, wer es ist, dass ich Lust kriege, unhöflich zu sein.
    »Nein.«
    Pause.
    Offenbar überlegt der Typ am andern Ende der Leitung, ob er mir glauben soll oder nicht.
    »Ich hatte mir aber genau diese Nummer notiert …«, antwortet er, ohne dass ein polemischer Ton mitschwingt.
    ›Bravo, Vincenzo‹, sage ich mir. ›Du bist vielleicht ein Trampel.‹
    Ein Trottel noch dazu.
    »Sie haben recht. Entschuldigen Sie bitte.«
    »Also Sie sind Rechtsanwalt Malinconico?«
    »Leider ja.«
    »Dann ist ja alles bestens. Guten Tag, ich bin Simone, einer der Mitarbeiter von Daria Bignardi, erinnern Sie sich?«
    Oh Gott, wie blamabel!
    »Oh, gewiss, wie geht’s? Ich hab schon damit gerechnet, dass Sie mich wegen der Organisation der Reise anrufen. Freitag, richtig?«
    »Also genau deshalb wollte ich Sie eigentlich sprechen«, sagt er ziemlich verlegen. »Bei der Vorbereitung des Programms hat sich Unvorhergesehenes ergeben, und der Talk, zu dem wir Sie eingeladen hatten, wird jetzt, ähm, aus der Planung
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