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Meine Schwiegermutter trinkt - Roman

Meine Schwiegermutter trinkt - Roman

Titel: Meine Schwiegermutter trinkt - Roman
Autoren: Diego de Silva
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sind Ig-no-rantinnen, über die wir kein Wort mehr zu verlieren brauchen.«
    »So viel ist sicher.«
    In den folgenden Schweigemomenten verspüre ich das Bedürfnis, meinen alten Freund anzuspornen, ehe er sich erneut hängen lässt.
    »Weißt du, was wir beide jetzt machen? Wir gehen trotzdem aus.«
    Espes Miene hellt sich auf.
    »Ja, du hast recht. Vollkommen recht. Wir zwei machen einen drauf. Und die beiden Schnallen können uns gestohlen bleiben.«
    » Jetzt erkenne ich dich endlich wieder.«
    »Also los, mach dich fertig«, befiehlt Espe mir aufgekratzt.
    »Okay.«
    Ich ziehe eine Unterhose und saubere Socken aus der Kommode LEKSVIK , als ich plötzlich, nun ja, stutze.
    »Ah, Espe.«
    »Was?«
    »Du hast denen doch nicht etwa meine Handynummer gegeben?«
    »Natürlich nicht.«
    »Danke. Du bist ein wahrer Freund.«

Casual
    Ohne Übertreibung: Der Abend mit Espe ist ein Drama.
    Zwei Loser, einer davon nach Nuttendiesel stinkend, sitzen in einer Kneipe und tauschen sich so gut wie wortlos über ihre jeweiligen Depressionen aus.
    Nicht dass die anderen Gäste des Lokals (ich meine die in unserem Alter oder darüber) viel besser dran wären, im Gegenteil. Hier verkehrt eine erschreckend hohe Zahl von Fifty-Somethings auf der Suche nach Frischfleisch. Diesen Hunger kann man ihnen natürlich vom Gesicht ablesen – vor allem aber am Outfit. Es gibt so viele, aber wirklich endlos viele Männer in fortgeschrittenem Alter, die krank sind vor Jugendlichkeitswahn.
    Es ist stärker als sie …
    Wenigstens ein bisschen wollen sie von der Jugend abhaben, und das so unbedingt, dass sie jeglichen Sinn für das Lächerliche verlieren. Sie tragen aufgeschlitzte Jeans und Hogan-Schuhe, das schüttere Haar lang, die Brille blau oder gelblich, aus der Hemdtasche blitzt das BlackBerry hervor und aus dem offenen Hemd das graue Fell und die Wampe.
    Das Drama dieser neuen Frankensteins besteht nicht darin, dass sie sich jung fühlen: Sie wollen so wirken .
    Meiner Meinung nach liegt dem ganzen Drama die verzweifelte Hoffnung zugrunde, auch noch (wenigstens ein Krümelchen der allgegenwärtigen sexuellen Üppigkeit abzukriegen, so als könnte man die Welt austricksen, wenn man sich nur auf jung trimmt, und schnell, schnell absahnen, bevor sie merkt, wie alt man wirklich ist.
    Als ich keinen Bock mehr habe, noch weiter büßen zu müssen, Espes Stinkeparfüm zu inhalieren und mich in zooanthropologischen Spekulationen über das Bestiarium in unserer Umgebung zu verlieren, schlage ich meinem Büronachbarn vor, unseren inzwischen klar gescheiterten Vergnügungsvorsatz aufzugeben und uns auf den Heimweg zu machen.
    Also verlassen wir die Kneipe und tauchen in der Menge junger Nachtschwärmer unter, die bis in die frühen Morgenstunden von Lokal zu Lokal ziehen. Auf der Straße, auf der nachts (wie es in den Zeitungen heißt) der Bär steppt, öffnen sich dank des von meinem Freund ausdünstenden unsäglichen Parfüms sofort großzügige Schneisen für uns alte Säcke.
    Gerade als wir eine der vielen kleinen, auf dem Gehweg campierenden Gruppen gesprengt haben, spüre ich, wie mich jemand am Ärmel zupft. Im selben Augenblick, in dem ich mich umdrehen will, wird Espe vom nachströmenden Strudel verschluckt, so dass ich ihn aus dem Blick verliere.
    Was mir wörtlich in den Sinn kommt, als ich plötzlich Verrückt-nach-Mary vor mir sehe, ist: ›Donnerwetter, sieht die dem Mädchen aus dem Krankenhaus aber ähnlich!‹
    »Ciao«, sagt die und schenkt mir ein leicht verlegenes Lächeln.
    Ich habe den Eindruck, dass ihre Augen funkeln, und wahrscheinlich täuscht der Eindruck nicht. Im Moment könnte ich gar nicht beschreiben, was sie für Kleider anhat, aber was ich todsicher weiß, ist, dass ich sie unglaublich elegant finde.
    Reines Bauchgefühl, klar.
    »Oh, ciao«, grüße ich sie, betäubt durch das Stimmengewirr um uns herum, zurück.
    »Ich hätte nie damit gerechnet, dich hier zu treffen.«
    »Richtig«, brülle ich. »Ist nämlich nicht gerade mein Revier hier.«
    Ich stelle mich auf die Zehenspitzen, um nach Espe Ausschau zu halten, sehe ihn aber nicht.
    »Und warum nicht?«
    »Ist dir klar, wie alt ich bin?«
    »Nein, keine Ahnung.«
    Ich hebe die rechte Hand, klappe den Daumen ein und zeige erst vier, dann zwei Finger.
    »Echt?«, antwortet sie überrascht. »Kompliment.«
    Himmel, was für einen Krach die Leute beim Reden machen. Ich lese die Worte mehr von den Lippen ab, als dass ich sie höre.
    »Wofür?«
    »Was hast du
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