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Meine Schwiegermutter ist cooler als deine

Titel: Meine Schwiegermutter ist cooler als deine
Autoren: dtv
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anschließend erkennen: »Ach, vielleicht ist das |133| doch nichts für mich«, und daraufhin eine neue Karriere einschlagen, etwa den Verkauf von Silberschmuck auf Kleinkunstmärkten.
    Zunächst einmal bietet der Palazzo dei Congressi (PdC) zwar 600   Plätze für Besucher, aber nur fünf Parkplätze. Das könnte man vielleicht als cleveren Schachzug sehen, die Leute zu zwingen,
     auf den öffentlichen Nahverkehr umzusteigen, allerdings vergaß man bei dieser Überlegung die Installation des öffentlichen
     Nahverkehrs. Also muss man am Abend erst einmal eine Stunde lang durchs Viertel kurven, bis man den am wenigsten illegalen
     Parkplatz gefunden hat, und mit jeder Minute des Suchens nimmt proportional der Wunsch nach Gesetzesübertretung zu. Gut, dass
     ich mit Laura unterwegs war, was mich von diesem Schicksal verschonte. Gegenüber vom PdC liegt ein Hotel, das, wie Laura wusste,
     erst in zwei Wochen öffnen würde. Also stellten wir das Auto genau vor dem Eingang ab und mussten nur über die Straße, um
     uns in die Schlange einzureihen.
    Typisch Italien: Vor dem Ticketschalter war eine lange Schlange, die Bar dagegen völlig leer. In Deutschland hätten alle ihre
     Tickets vier Monate vorher gekauft und stünden nun in Viererreihen an der Bar an, um sich noch ein paar Biere reinzudrücken.
     Ich denke, am Ende nimmt es sich nicht viel. Ich beschloss, dem Barmann etwas Arbeit zu geben und mein Deutschsein im Bestellen
     von einer Runde Bier zu zementieren. Mein Schwager Leo begleitete mich, Laura und Claudia warteten im Foyer. (Die Kinder hatten
     wir bei Minnie geparkt.) Wir waren wirklich die Einzigen von 600   Menschen, die den Barmann beschäftigten, und das war auch sehr gut so, denn für die vier Bier |134| brauchte er geschlagene zehn Minuten, und das mit dem Wechselgeld machte er wohl auch zum ersten Mal. Aber mit einem kalten
     Pappbecher in der Hand begann der Abend doch schon einmal ganz vielversprechend. Vielleicht, weil er ganz entfernt an die
     Minuten vor einem Fußballspiel erinnerte. Es fehlte nur noch die traditionelle Stadionbratwurst dazu.
    Ich hatte zudem Glück mit dem Sitzplatz und konnte meine Beine ausstrecken. Da wir schon mit dem Fiat Panda meiner Frau hergefahren
     waren, wusste ich diesen kleinen Luxus zu schätzen. Und dann begann der Abend. Das Besondere ist, dass jedes Lied in dem Inseldialekt
graesan
gesungen wird, der schon für Italiener vom Festland kaum zu verstehen ist. Bei einem zugereisten Deutschen geht natürlich
     gar nichts. Aber ich fühlte mich ganz wohl und war gespannt auf die Dilettanten, die sich gleich tüchtig blamieren würden.
     Warum tun Menschen so etwas?
    Es begann zunächst einmal mit einem recht souverän quasselnden Moderator, der umso gelassener wirkte, als die beiden ihm zur
     Seite gestellten Inselschönheiten vor Nervosität fast in Ohnmacht fielen und nicht einmal den Begrüßungssatz (»Buonasera a
     tutti!«) fehlerfrei aufsagen konnten. Keine Häme – ich hätte es auch nicht besser gemacht. Ich hätte es aber vorher gewusst
     und mich rundheraus geweigert, wäre ich eine Gradeser Inselschönheit und wäre ich gefragt worden.
    Dann ging es auch schon los, und ich erwartete das Schlimmste. Doch was folgte, beeindruckte mich. Von Musik verstehe ich
     was, ich konnte einst recht passabel Klavier und Querflöte spielen und war jahrelang Groupie des Bundesjugendorchesters, wo
     meine damalige Freundin |135| das Cello spielte (ja, es klingt kitschig, aber so war es wirklich, ich kann doch nichts dafür), und außerdem war ich während
     meiner Zeit bei ›Playboy‹ für die Plattenkritiken verantwortlich, weil ich dort der einzige Redakteur unter 25 war. Inzwischen
     habe ich zwar längst den Überblick verloren, aber zwischen Schrott, Mittelschrott und gutem Stoff zu unterscheiden traue ich
     mir doch noch zu. Und was die zwölf Teilnehmer boten, war Musik auf einem sehr, sehr hohen Niveau – einem Niveau, das gereicht
     hätte, um bei jeder deutschen Castingshow unter die ersten Drei zu kommen. Gleich der erste Auftritt bestand aus vier Kerlen,
     von denen der eine sang wie Joe Cocker. Wirklich gut. Teilnehmer Nummer zwei hatte keine Chance, weil er von dem Moderator
     etwas zu launig als Festlandsbewohner angekündigt wurde, der den Gradesern mal zeigen wolle, wo der Hammer hängt. Der Applaus
     fiel dementsprechend spärlich aus. Weiter ging es mit Familien, Jugendlichen, alten Barden, und alles war sehr sauber produziert
     und wurde von
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