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Meine Schwiegermutter ist cooler als deine

Titel: Meine Schwiegermutter ist cooler als deine
Autoren: dtv
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braver, gesetzestreuer Bürger. Wenn jetzt auch noch die
     Autos mit den
deutschen
Kennzeichen bei Rot |129| über die Ampeln rasen, weiß man ja gar nicht mehr, an was man sich halten soll.
Unterlassen Sie es niemals, alles und jeden überschwänglich zu loben.
Auch wenn Sie die Kirche nur besichtigen wollen und aus steuerlichen Gründen längst nichts mehr mit der Institution zu tun
     haben: Tun Sie trotzdem so, als hätten Sie eine gewisse Ehrfurcht.
Wenn Sie lärmempfindlich sind, buchen Sie beim nächsten Mal eine Reise durch die Fjorde Norwegens.
Selbst wenn Sie der unordentlichste Chaot sind: Nicken Sie, wenn man Sie für Ihren vorgeblichen Ordnungssinn und Ihre Pünktlichkeit
     lobt. Italiener schätzen uns aus genau diesen Gründen. Spielen Sie also Ihre Rolle.
Zu viel Grappa aufs Haus macht Sie nicht zu einem besseren Freund des Wirts, sondern nur zu einem Menschen, der am nächsten
     Morgen ein paar Aspirin braucht.

|130| Mein Eine-Art-Schwager spricht mir Mut zu
    Ich bin ein Angsthase. Ich fürchte mich vor mutierenden Vogelgrippeviren, vor Staus und vor Zahnarztbohrern. Relativ tapfer
     bin ich allenfalls bei Spritzen (jedoch nicht bei der Blutabnahme), in U-Bahnhöfen und in dunklen Parks. Seit ich ein Zweijahres-Abonnement im Fitnessstudio abgeschlossen habe, glaube ich, dass ich aus dem
     klassischen Opferprofil herausfalle, weil die Menschen Angst vor meinem »breiten Kreuz« haben.
    Doch dann zogen düstere Wolken am Horizont meiner rosaroten Weltwahrnehmung herauf. Meine Wange pochte seit Tagen, ich aß
     Schmerzmittel wie Smarties und wusste, es drohte was Größeres. Ich recherchierte im Internet, welche Zahnärzte gegebenenfalls
     unter Vollnarkose bohren. Außerdem machte ich den Fehler, bei Google den Begriff »Wurzelbehandlung« einzugeben, und gleich
     fand ich eine Seite, die eine Wurzelbehandlung fotografisch genau zeigte. Teufel noch eins. Ich rief diverse Zahnärzte an,
     die mir Verwandte und Bekannte empfohlen hatten und die mich allesamt mit leicht genervter Stimme beruhigten. Ich machte schweren
     Herzens einen Termin mit meiner Münchner |131| Zahnärztin aus. Am Abend zuvor saß ich noch in Grado in Giulianos Aperitif-Bar, und mein Eine-Art-Schwager Paolo (der Mann
     von Lauras Cousine Marta) war zufällig im Lande. Ich zitterte und hielt mich an meinem Weißbier fest – in vierzehn Stunden
     drohte mir mutmaßlich eine Wurzelbehandlung. Mein Eine-Art-Schwager und Angelkumpel Paolo saß neben mir, und diese gewaltige
     Portion Mann würde doch sicher Mitleid mit mir haben!? Also fragte ich ihn: »Zahnärzte machen keinen Spaß, oder?«
    Paolo zuckte mit den Schultern und streifte die Asche seiner Zigarre gekonnt im Aschenbecher ab (wir saßen draußen). Und er
     sagte: »Weißt du, ich sehe das so. Du hast ein Problem. Du gehst zum Zahnarzt. Der Zahnarzt löst dein Problem.« Das war der
     vielleicht coolste Satz, den ich jemals gehört hatte. Die Rhythmik, die Betonung, das leicht gelangweilte Hochschauen – da
     hätte Lee Strasberg jahrelang mit ihm arbeiten können und es doch nicht besser hingekriegt.
    Das tröstete mich. Aber nur für ein paar Minuten. Dann griff ich wieder zu den halblegalen Schmerztabletten und dämmerte weg,
     sodass mich Paolo nach Hause trug.

|132| Das Festival
    Seit 1946 wird in Grado das ›Festival della Canzone Gradese‹ veranstaltet, ein Gesangswettbewerb, der aus einer Barlaune heraus
     geboren wurde und inzwischen dermaßen erfolgreich ist, dass er von der RAI und auch live im Internet übertragen wird. Klar,
     dass der Abend des Wettstreits Mitte März einer der absoluten Höhepunkte des Inseljahres ist. Man redet Tage vorher über nichts
     anderes und wirft sich mächtig in Schale, und als mir in diesem Jahr die Ausreden ausgegangen waren, musste ich meinen Hochzeitsanzug
     aufbügeln und mitkommen. Dank Minnie kleide ich mich ja mittlerweile ganz passabel, aber für die große Abendgarderobe reicht
     der Chinesenmarkt natürlich nicht. Das Beste an meinem Job als Autor ist, dass ich auch zum Anzug keine Krawatte tragen muss
     und man mir das als Exzentrik auslegt – dabei steckt dahinter nur die Unfähigkeit, einen Knoten zu binden.
    Der Abend findet im Palazzo dei Congressi statt, einer Art Stadthalle, die genauso scheußlich aussieht wie alle anderen Stadthallen
     in allen anderen Städten dieser Welt. Ich weiß auch nicht, ob Stadthallen eine Art Versuchsfeld für minderbegabte Berufsanfänger
     unter den Architekten sind, die
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