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Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen

Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen

Titel: Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen
Autoren: Alexandra Fröhlich
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schaffte es ganze drei Tage ohne Mischa in Konstanz, und als sie zurückkehrte, hielt er ihr, mental und physisch um Jahre gealtert, ein Angebot der Uni Kiel unter die Nase.
    »Na also«, sagte ich zu ihr, »dann ist alles wieder in bester Ordnung. Was hältst du davon, das nächste Mal gleich den Verstand einzuschalten?«
    »Könnte man machen«, antwortete sie, »wäre aber nur halb so schön.«
     
    Artjom kündigte eine seiner Geschäftsreisen an. Zwei Wochen Düsseldorf.
    »Was machst du denn zwei Wochen in Düsseldorf?«, fragte ich.
    »Vier Tage arbeiten, und dann treffe ich mich mit fünf scharfen Blondinen. Das braucht eben Zeit«, erwiderte er. »Schließlich hat jeder russische Mann, der etwas auf sich hält, mindestens eine Geliebte.«
    Sein merkwürdiger Humor konnte mich nicht mehr schrecken, vielleicht war ich auch nur abgestumpft, ich sagte nichts dazu.
    In epischer Breite erklärte er mir daraufhin, dass es sich bei diesem Event um ein Treffen deutscher Bisnessmän, russischer Bisnessmän aus Sankt Petersburg und Moskau und russischer Bisnessmän, die in Deutschland tätig waren, handelte.
    Eine große Geschichte also, die eine Woche Vorbereitung erfordere. Haarklein erklärte er mir, wann wer mit wem, wer mit wem nicht, warum der nicht mit dem, wie alles zusammenhing, was wer vorhatte und warum, und wie er nun gedachte, das alles unter einen Hut zu bringen.
    Auch wenn ich es so genau gar nicht hatte wissen wollen, freute ich mich. Artjom hatte dazugelernt.
    Am Wochenende vor seiner Abreise luden uns Alexej und Frau Hinrichs zur Einweihung ihrer Datscha ein. Saisonal war zwar noch nicht die Zeit für eine Gartenparty, aber die zwei waren so stolz auf ihre Neuerwerbung, dass sie auf keinen Fall warten wollten.
    Also irrte die Großfamilie – alle Menschen, alle Hunde, nur Agathe fehlte – durch das Eppendorfer Moor und suchte die Laube. Die Kleingartenkolonie hatte etwas Verwunschenes, ein Stückchen urbanisierte Wildnis. Nachdem wir drei Mal falsch abgebogen waren und Darya sich ihre Nylons an Brombeerranken aufgerissen hatte, standen wir schließlich vor der richtigen Parzelle.
    Deduschka entfachte ein mächtiges Feuer auf dem Rasen, Frau Hinrichs reichte Glühwein. Es war empfindlich kühl, wir bedienten uns und hörten von Alexejs Plänen. Er hatte vor, die alte Hütte in ein traditionelles russisches Holzhaus zu verwandeln, mit den typischen Schnitzereien und bunten Fensterläden, ein Stückchen Heimat in der Ferne.
    »Wenn du Hilfe brauchst«, sagte Vater generös, »ich bin dabei.«
    Frau Hinrichs, die vor Aufregung rote Bäckchen hatte, erklärte weitschweifig, dass wir uns in einem echten Naturschutzgebiet befänden und das echte Moor mit seinen echt seltenen Tierarten nur ein paar Schritte entfernt liege. Darya rümpfte die Nase, das war ihr entschieden zu viel Natur.
    Später stieß Alexejs Kumpel, der Tierschützer, zu uns. Ich konnte Vater davon abhalten, ihn ins Feuer zu schubsen. Daraufhin beschlossen beide wortlos, einander zu ignorieren. Wir futterten Würstchen vom neuen Grill, den wir als Einweihungsgeschenk mitgebracht hatten, plauderten und schauten den Hunden beim Spielen zu.
    Irgendwann erbrach sich Wassja mit unschönen Geräuschen in die Büsche und kippte auf die Seite. Darya war besorgt, Alexej flößte dem Rüden eine seiner Tinkturen ein und gab Entwarnung: »Alläs gutt.«
    Ich tätschelte dem sabbernden Koloss den Kopf und sagte: »Na, Alterchen, hast du auch was Falsches gefressen? Dann geht’s dir ja wie mir.«
    Die Nacht brach an, wir rückten enger ans Feuer, Artjom nahm mich in den Arm.
    »Was meinst du, Schatz, hältst du’s zwei Wochen ohne mich aus?«
    »Klar, ich hab hier alles im Griff«, sagte ich, »fahr du nur.«

[home]
    Epil06
    G esenkten Hauptes verlassen wir das Polizeirevier, den Schauplatz unserer Niederlage. Ein schönes Paar sind wir, denke ich, als ich mit Darya durch leere Straßen schlurfe. Sie hinkt ein wenig, einer ihrer Absätze hat sich verabschiedet. Sie hat sich bei mir untergehakt, wir sind dreckig, unter meinen Fingernägeln klebt schwarze Erde. Alles in allem kein schöner Anblick.
    Ich habe keine Ahnung, wo wir eigentlich sind, geschweige denn, wo genau der Friedhof liegt und unser Auto steht. Mir ist zum Heulen zumute. Der Einsatz in Ohlsdorf, unsere Verhaftung, das Verhör – ich habe die fürchterlichste Nacht meines Lebens hinter mir.
    Endlich sehe ich ein Taxi und winke es heran. Der Fahrer bremst ab, guckt und fährt
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