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Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen

Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen

Titel: Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen
Autoren: Alexandra Fröhlich
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weiter. Erst der dritte Wagen nimmt uns mit.
    Auf der Fahrt wird mir schlecht, nur unter äußerster Willensanstrengung schaffe ich es, mich nicht in den Fußraum zu erbrechen. Der Fahrer bringt uns zur Datscha, ich renne in den Garten und kotze in die nächstgelegene Rabatte, eine kleine Reminiszenz an Wassja, den alten Haudegen. Darya schaut mir zu und fragt: »Alläs gutt?«
    »Nix ist gut«, röchle ich und schwanke ins Haus. Ich muss mich hinlegen, jetzt, sofort. »Ruf Vater an, wir brauchen Hilfe. Diesmal stecken wir echt in Schwierigkeiten«, sage ich und krieche unter die Bettdecke.
    Ich habe einen wirren Traum, der von den unterschiedlichsten Gestalten bevölkert wird. Alle wollen etwas von mir und zerren an mir herum. Sie brüllen in einer fremden Sprache auf mich ein, ich versuche wegzulaufen, sie halten mich fest. Zusammen bilden wir eine große Traube und taumeln auf einen Abgrund zu. Vergeblich stemme ich meine Füße in den Boden. Wir fallen.
    Als ich aufwache, bin ich schweißgebadet, in meinem Kopf pocht es, aber die Übelkeit hat nachgelassen. Von irgendwoher höre ich Gelächter und Stimmen. Ich raffe mich auf und suche nach der Quelle der Heiterkeit. Ich finde sie im Wintergarten.
    Da hockt die bekloppte Bande: Rostislav, Alexej, Frau Hinrichs, Mutter, Vater und Darya, die wohl dieses Familientreffen einberufen hat. Nur Artjom fehlt. Alle sind bester Laune, Vater wischt sich gerade die Lachtränen aus den Augenwinkeln.
    »Schön, dass ihr euch amüsiert«, sage ich, »darf ich mitlachen?«
    »Wir haben gerade über euren Ausflug gesprochen«, freut sich Vater, »da habt ihr euch ja was eingebrockt, herrlich!«
    »Herrlich? Ich werde meine Zulassung verlieren.«
    »Unsinn, so schnell verliert man seine Zulassung nicht, da musst du schon mehr anstellen.«
    »Na, wenn du dir sicher bist.«
    »Natürlich bin ich mir sicher, Paula«, Vater ist beleidigt, dass ich hier vor allen seine Kompetenz anzweifle, »aber wenn du alles besser weißt …«
     
    Ich weiß es nicht besser. Er behält recht. Ein paar Wochen später ist die Sache so gut wie vom Tisch. Vater hat seine Verbindungen spielen lassen, das Verfahren gegen uns wird ungewöhnlich zügig eröffnet, meine Freundin Elisabeth, vom Richter a.D. Matthes gecoacht, verteidigt uns.
    Einigermaßen glaubhaft stellt sie dar, dass Frau Polyakowa in der schicksalhaften Nacht nicht ganz bei Sinnen gewesen sei, der Tod des geliebten Haustieres habe kurzzeitig ihren sonst messerscharfen Verstand getrübt.
    »Frau Matthes hat verzweifelt versucht, ihre Schwiegermutter von dieser zugegeben sehr großen Dummheit abzuhalten, war ihr aber körperlich unterlegen.«
    Das stimmt sogar, denke ich und mache mich auf meinem Stuhl noch etwas kleiner. Der Richter lässt Milde walten, immerhin sind wir bis dato unbescholtene Bürger. Wir werden rechtskräftig verurteilt, müssen aber nur ein hohes Bußgeld bezahlen.
    Ich bin jetzt vorbestraft. Ich versuche, das positiv zu sehen. Meine Klienten können in Zukunft nur davon profitieren. Ihre Anwältin weiß, wovon sie spricht.
    Nach der Verhandlung stehen wir noch etwas herum, mein Magen rebelliert wieder, kein Wunder bei der Aufregung, denke ich und eile zur Toilette.
    Elisabeth kommt hinterher. »Paula, alles klar bei dir?«
    »Geht schon, mir ist nur ein bisschen schlecht. Ich hab mir da irgendwas im Urlaub eingefangen und werd’s nicht wieder los.«
    »Warst du beim Arzt?«
    »Alexej hat mir einen Kräutertee zusammengemischt. Er meint, das ist nichts Schlimmes.«
    »Hat er das bei Wassja nicht auch gesagt? Mensch, geh bloß zum Arzt! Vielleicht hast du Salmonellen oder so was.«
    Genau, zum Arzt. Da will ich seit Wochen hin. Und immer kommt irgendetwas dazwischen. Meine Arbeit, mein Mann, der mich mit seinen Anfällen von Liebesbedürftigkeit vom Arbeiten abhält, und natürlich Darya.
    Als sie erfährt, dass Wassjas Kadaver zum Abdecker transportiert wurde, ist sie kurz davor, einen Mord zu begehen. Zum Glück weiß sie nicht, wen sie konkret für diese Schweinerei verantwortlich machen soll, und will von mir wissen, ob die Polizisten, die uns verhaftet haben, daran schuld seien. Das verneine ich besser und verspreche ihr, mich um Wassjas Überreste zu kümmern.
    Ich besorge mir die Adresse des Tierkrematoriums und fahre hin. Ein missmutiger Mann in einem blauen Arbeitsoverall gibt sich wenig mitteilsam, mühsam muss ich ihm die Informationen aus der Nase ziehen und erfahre, dass der Neufundländer sich selbstredend
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