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Meine Kinderjahre

Meine Kinderjahre

Titel: Meine Kinderjahre
Autoren: Theodor Fontane
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Eisenkette um die Rohre legten und dann das Zeichen zum Aufziehen gaben. Einem der Taucher war dies schon etliche Male geglückt, als er aber damit fortfuhr und sich eben wieder mit dem Umlegen der Kette beschäftigte, sah er, daß ein ungeheurer Seefrosch, der sich in dem mächtigen Geschützrohr einquartiert hatte, seinen Kopf neugierig vorstreckend, ihn mit seinen Riesenfroschaugen ziemlich mißmutig ansah. Er erschrak heftig, aber voll Geistesgegenwart den Kanonenwischer packend, der noch auf der Lafette lag, stieß er den Neugierigen in seine Wohnung zurück, ließ den Wischer wie einen Verschlußpfropfen drin stecken und gab, während er sich rittlings auf die Kanone schwang, das Signal, auf das hin nun die Hebemaschine sowohl ihn wie das Geschütz selbst und den gefangenen Seefrosch nach oben zog.
     
    4 In eigentlichen
Künstler
familien ist ein forterbendes Sichbetätigen auf ihrem eigensten, also künstlerischen Gebiet eine Durchschnittserscheinung; die Keans, die Kembles, die Devrients weisen Schauspieler und immer wieder Schauspieler auf, die Vernets immer wieder Maler. Die Scherenbergs aber, und darin liegt die Besonderheit ihres Falles, waren zunächst immer wieder Kaufleute; sie wurden nicht durch Verhältnisse, die sie bei ihrer Geburt schon vorfanden, in die Kunst eingeführt, sondern hatten sich den Eintritt in dieselbe meist erst durch Überwindung aller möglichen Schwierigkeiten zu erobern.
     
    5 Ich habe in Vorstehendem den Grund für meine geteilten Sympathien in einem gewissen
Ordnungssinne
gesucht, in einem an die
Zahl
bzw. die Machtüberlegenheit zu stellenden natürlichen Anspruch. Und es liegt in der Tat so. Wenn sich zwei Jungen auf der Straße schlagen und der ganz Kleine siegt über den ganz Großen, so freuen wir uns über den Kleinen, ärgern uns aber über den Großen dermaßen, daß die dem Kleinen zugute kommende Freude sehr erheblich beeinträchtigt wird. Also noch einmal, wir ziehen aus dem Machtverhältnis ganz bestimmte Konsequenzen. Aber vielleicht spielt in dieser Frage auch noch ein anderes, aufs Moralische hin angesehn, ganz gleichgültiges Moment mit, dessen trotzdem hier gedacht werden muß:
die Macht der rein äußerlichen Erscheinung.
Friedrich Wilhelm III., als es sich um den Einzug in Paris handelte, wollte von der Heranziehung des Yorkschen Korps, das doch die Hauptsache getan hatte, zu diesem Einzugszwecke nichts wissen, weil die Hosen der Landwehrleute zu sehr zerrissen waren. Manche hatten gar keine Hosen mehr und deckten ihre Blöße nur noch mit ihrem Mantel. Der König ist oft dafür getadelt worden, ich meinerseits aber habe mich immer auf seine Seite gestellt. Das
Ästhetische
hat eben auch sein Recht, mitunter sogar ein weit- und tiefgehendes, trotzdem ich nicht verkenne, daß dabei schließlich ein Dorfspitz herauskommen kann, der wohlgekleidete Lumpen passieren läßt und ehrliche Leute, die gerad um ihrer Tugenden willen in Lumpen gehn, anbellt. Bedarf das der Abstellung, muß das aus unserer Seele heraus, so müssen wir nach ganz anderen, von der Erscheinung absehenden Prinzipien erzogen werden und es lernen, unter allen Umständen immer nur das Eigentliche, den Kern der Sache zu befragen. Davon sind wir aber vorläufig noch weit ab.
     
    6
Wilhelm Krause,
dem zuliebe der Hauslehrer überhaupt gehalten wurde, war ein bildhübscher Junge, aber sehr zart und von jenen roten Backen (»wie gemalt«), die kein langes Leben prophezeien. Und so kam es auch. Mit kaum zwanzig Jahren schickte man ihn nach Malaga, von dessen Klima man sich Gutes für seine Gesundheit versprach. Er war sehr musikalisch und nahm an Bord des Schiffes, auf dem er die Reise machte, seinen schönen Kinstingschen Flügel mit. Dieser Flügel nun war bei Ankunft in Malaga wegen zu enger Türen und Treppen nicht gleich unterzubringen und stand eine Stunde lang oder länger auf der Straße, was viel Volk herbeilockte. Jedem sollt er sagen, was es mit dem Kasten eigentlich sei, worauf er die prompteste Antwort gab, indem er den Flügel aufschlug und darauf spielte. Das Volk war entzückt, so daß sich sagen läßt, dieser glückliche Zufall habe ihn von Anfang an zu einer populären Figur gemacht. Er erholte sich anscheinend auch gesundheitlich, nahm an allem teil und schrieb reizende Briefe, die Willibald Alexis, ein Freund des Krauseschen Hauses, herausgegeben hat. Aber sein Leiden war schon zu weit vorgeschritten, und so starb er denn bereits im Sommer 1842. Als der Begräbnistag da war,
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