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Meine geordnete Welt oder Der Tag an dem alles auf den Kopf gestellt wurde

Titel: Meine geordnete Welt oder Der Tag an dem alles auf den Kopf gestellt wurde
Autoren: Suzanne Crowley Knut Krueger
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letzter Zeit greift sich mein Gehirn einfach irgendwelche Wörter heraus und ich muss sie ausspucken. Meine Gedanken sind klar. Doch wenn ich zu reden versuche, hört es sich manchmal so an, als hätte ich die Wörter aus dem Secondhandshop. Meine Stimme klingt genauso. Mama meint, ich höre mich an wie eine alte, erfahrene Frau, während Bug mich ständig anschnauzt, ich solle nicht reden »wie eine Oma«.

    Was nichts daran ändert, dass ich samstags einen engen Zeitplan habe und es nicht mag, aufgehalten zu werden. Bug weiß das ganz genau. Ich führe ein Sehr Geregeltes Dasein, abgekürzt: SGD. Alles in meiner Welt ist wohlgeordnet, und wenn irgendwas meinen Zeitplan durcheinanderbringt, dann »flippe ich aus«, wie Grandma sagt. Das fühlt sich so an, als stünde ich in Flammen. Ich glotzte Bug und Tootie ausdruckslos an und hoffte, das würde reichen, um sie zu vertreiben.
    »Er ist ungefähr acht Jahre alt, aber Mary Alice Augustine hat ihn gesehen und meinte, er sieht aus, als ob er noch in den Kindergarten geht. Er hat keine Mutter und sein Vater schreibt poetische Gedichte«, fügte Bug mit der Autorität eines professionellen Klatschmauls hinzu. »Also wird Mama ihn bestimmt zu uns zum Essen einladen, damit er eine Lesung in der Buchhandlung macht, und das bedeutet, dass wir den Jungen zuerst kennenlernen. Ich wette, sie lassen sogar diesen komischen kleinen Behindertenbus aus Whiskey kommen.«
    Whiskey ist unsere Nachbarstadt. Sie liegt etwa zehn Meilen entfernt und ist besser ausgestattet als Jumbo. Dort gibt es beispielsweise das mickrige Krankenhaus, in dem ich geboren wurde, und sogar einen Drive-Thru-McDonald’s.
    Bug machte große Augen, als sie einen Blick auf meine hohen roten Turnschuhe warf.
    Meine »Uniform« scheint Bug mächtig zu irritieren, denn sie zerreißt sich ständig das Maul darüber. Ich trage jeden Tag dieselben Klamotten: ein gelb-oranges Shirt mit der Aufschrift Dilley’s Chicken & Feed , das Dad mir mal von einer Landwirtschaftskonferenz mitgebracht hat, eine olivgrüne Cargohose und meine hohen roten Schuhe, die Bug »Spastischuhe« nennt, weil sie Klettverschlüsse statt Schnürbändern haben.
    In den letzten Tagen musste ich allerdings ohne meine geliebten Schuhe auskommen, weil Bug sich nachts in mein Zimmer geschlichen und sie gestohlen hat. Doch heute Morgen
habe ich sie aus einem Müllcontainer hinter der Rexall Drogerie herausragen gesehen.
    Bug wurde total sauer. »Du hast sie doch nicht alle!«, rief sie erregt. »Ich wette, der Typ zieht sich genauso an wie du.«
    »Außerordentlich!«, brummte ich und spießte eine verbeulte Dose auf.
    »Außerordentlich? Oh, Merilee! Du bist so ein Spasti!«
    Worauf ich entgegnete: »Er schreibt politische , nicht poetische Gedichte.«
    Bug streckte mir die Zunge raus, zog Tootie am Ärmel, und weg waren sie wieder, um ein begeisterungsfähigeres und dankbareres Publikum mit ihrer aufregenden Neuigkeit zu beglücken.
    Ich zog die Dose von meinem Spieß und begann, mich nach meiner nächsten Beute umzusehen. Dreißig Minuten täglich und am Samstag zwei Stunden lang - von 9.12 Uhr bis 11.12 Uhr - sammele ich Abfall auf. Mit jeder Dose rette ich die Welt.
     
    Ich heiße Merilee Monroe. Ich weiß. Ist das nicht schrecklich? Wahrscheinlich würde ich selbst zu kichern anfangen - dabei bin ich so höflich und rücksichtsvoll, wie man nur sein kann. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie oft die Leute schon hinter meinem Rücken gesungen haben: »Mer-i-lee we roll along, roll along, ROLL ALONG!«, aber ich verziehe dabei keine Miene. Grandma Birdy schimpft mit mir und sagt, ich solle mehr aus mir herausgehen und ruhig mal ein Lächeln riskieren. Mama bezeichnet mich als moralischen Kompass der ganzen Welt. Sie sagt, ich halte alles Leid dieser Welt in meiner Hand. Das stimmt. Ich finde, das Leben ist hauptsächlich dazu da, um unsere Träume zunichte zu machen.
    Außerdem, ganz nebenbei, sehe ich kein bisschen aus wie Marilyn Monroe. Meine Nase ist so groß und breit, dass eine
Boing 747 auf ihr landen könnte. Wenn Mama nicht in der Nähe ist, sagt Grandma gern, sie hätten mir im Himmel einen Schlag versetzt und ich sollte mich mit meinem Gesicht nur an Halloween vor die Tür wagen.
    Merilee. Grandma Birdy zufolge hat meine Mutter unter dem Einfluss der Betäubungsmittel während der Geburt diesen monströsen Namen (oder etwas, das so ähnlich klingt) ausgestoßen, und die Krankenpflegerin hat ihn sofort notiert, ohne mit
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