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Meine Freundin Jennie

Meine Freundin Jennie

Titel: Meine Freundin Jennie
Autoren: Paul Gallico
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Zähne in seinem Ohr und nadelspitze Krallen in seinen Rippen. Kick, kick, kick — eins-zwei-drei, zählte er, und dabei war ihm zumute, als würde ihm die Haut von dreißig Messern in Fetzen gerissen. Und wieder hagelten schwere Schläge auf seinen verletzten Schädel nieder. So wälzten sie sich beide immer näher dem Eingang zu, bis sie plötzlich auf die Straße hinausrollten.
    Halb blind von dem Blut, das ihm in die Augen gelaufen war, spürte Peter mehr, als er’s sah, daß der gelbe Kater ins Lagerhaus zurückschlich, aber er hörte seine böse höhnische Stimme sagen: «Und daß du dich hier ja nicht wieder blicken läßt! Denn das nächste Mal bringe ich dich bestimmt um!»
    Das Wasser im Rinnstein brachte Peter wieder etwas zu sich, aber nur für kurze Zeit. Er konnte kaum noch aus den Augen gucken, doch wußte er, daß er aus vielen Wunden blutete; sein eines Ohr war aufgerissen, und er hatte das Gefühl, als seien ihm sämtliche Knochen zerbrochen. Mühsam schleppte er sich vielleicht noch hundert Meter weiter. Ein Stückchen weiter unten in der Straße stand nämlich eine Bretterwand mit einem Malzextrakt-Plakat, und die versuchte er zu erreichen, um sich dahinter zu verkriechen, aber auf halben Weg versagten seine Kräfte, und er verlor das Bewußtsein. Neben einem freistehenden Briefkasten fiel er um und blieb dort ohnmächtig liegen, während der Regen auf ihn niederprasselte und in glitzernden Tropfen vom Pflaster wieder hochsprühte.

Das Bett des Kaisers

    Als Peter die Augen wieder auf schlug, war es Tag, und er wußte, daß er noch lebte. Auch stellte er gleich etwas Merkwürdiges fest, daß er sich nämlich nicht mehr an derselben Stelle befand, wo er in der vergangenen Nacht, kurz bevor er das Bewußtsein verlor, umgefallen war.
    Er entsann sich noch genau, daß da eine Bretterwand mit einem Plakat gestanden hatte, ein Briefkasten und eine lange niedrige Mauer, und jetzt war von alldem nichts mehr zu sehen. Statt dessen lag er auf einer weichen Matratze auf einem riesigen Bett, über das eine rote Seidendecke gebreitet war und das an einem Ende von einem hohen Baldachin überdacht wurde, von dem in dichten Falten gelbe Seide herabfiel — aus einem Oval, auf dem Peter eine Krone und darunter ein großes N erkennen konnte, was er beides schon mal gesehen haben mußte, weil es ihm irgendwie bekannt vorkam.
    Doch dachte er nicht weiter darüber nach, da ihn einstweilen nur der Gedanke beschäftigte, wie es kam, daß er jetzt trocken war und nicht mehr fror, wenn ihm auch von Kopf bis Fuß noch alles weh tat; und während er den Genuß, auf diesem wunderbar weichen großen Bett zu liegen, voll auskostete, fragte er sich, wie er nur hierher gekommen sein mochte.
    Denn als er erst richtig wach wurde und sich umblickte, sah er, daß er sich in einem hohen dunklen Zimmer befand, in das nur von draußen etwas Licht durch ein kleines schmutziges Fenster drang, in dem oben eine Scheibe fehlte; es war eigentlich mehr ein Verschlag als ein Zimmer, weil der Raum gar keine Tür hatte und bis obenhin mit den verschiedensten Möbeln vollgestopft war, fast alle in Schonbezügen, die aber von einigen Sesseln und Sofas heruntergerutscht waren, so daß man die Vergoldung der Lehnen und den Brokatstoff der Polster deutlich sehen konnte. Außerdem war alles verstaubt und mit Spinnweben überzogen, und es roch sehr muffig und auch etwas moderig.
    Alle Schrecken der vergangenen Nacht kamen Peter wieder ins Gedächtnis — die Mißhandlungen, die Flucht vor seinen Verfolgern, der entsetzliche Lärm, die Hetzjagd und die Angst, die fürchterlichen Schläge, die er von dem gelben Kater hatte einstecken müssen, und insbesondere seine vertrackte Lage. Auf eine rätselhafte Weise in einen Kater verwandelt und von der ahnungslosen Nanny auf die Straße geworfen — woher sollte sie auch wissen, daß er wirklich ihr Peter war? —, würde er nun womöglich seine Mutter, seinen Vater und sein Zuhause nie mehr Wiedersehen und auch nicht die Schotten-Nanny aus Glasgow, und bis auf ihre Abneigung gegen Katzen war sie ja eine liebe Nanny und innerhalb der Grenzen einer Erwachsenen immer gut zu ihm gewesen. Diese Gedanken quälten ihn, aber die wunderbar dicke Matratze und die weiche Seide unter ihm fühlten sich so angenehm an, daß er der Verlockung, sich auszustrecken, nicht widerstehen konnte, obwohl es ihm schauderhaft weh tat, und als er seine zerschundenen Glieder jetzt vorsichtig reckte, spürte er verwundert, wie in
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