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Meine 500 besten Freunde

Meine 500 besten Freunde

Titel: Meine 500 besten Freunde
Autoren: Johanna Adorján
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hingehörte, packte den Puder wieder zurück in die Tasche und ging die restlichen paar Stufen zum Eingang des Yogastudios hinauf.
    Am Empfang saß wieder dieser dicke junge Mann, dessen Namen sie nicht wusste. »Hallo«, sagte sie. »Hallo Ayumi«, antwortete er ebenso freundlich und sah von der Liste auf, in die die Teilnehmer ihre Namen eintrugen. »Nicht so viel los heute«, sagte er, während sie ihre regennassen Schuhe auszog und zu den anderen ins Regal stellte. Wie immer roch es nach Räucherstäbchen, und vom Band kam leise Musik. Auf dem großen Holztisch hinter der Empfangstheke stand eine Thermoskanne mit Tee, nach der Stunde würden geschnittene Äpfel und Orangen bereitliegen, eine Aufmerksamkeit des Hauses (Ayumi aß allerdings nie davon, ihr Magen vertrug keine Obstsäure). Barfuß ging sie über den beheizten Holzfußboden in den Umkleideraum, in dem eine nackte Frau gerade am Waschbecken damit beschäftigt war, sich die Füße zu waschen. Ayumi nickte ihr nur, na, du Fotze , im Spiegel zu, wobei sie versuchte, nicht zu auffällig hinzusehen, stellte ihre Tasche ab, ganz links, am selben Platz wie immer, zog Jacke, Pullover und Schal aus und hängte alles auf einen Kleiderbügel. Sie wartete, bis die nackte Frau sich angezogen hatte und aus dem Raum gegangen war, dann erst zog sie ihre Jeans aus. In Trainingshose und einem ärmellosen, eng anliegenden Shirt, auf das der lächelnde Buddha gedruckt war, verließ sie den Raum.
    Die Tür zum Yogasaal war nur angelehnt. Wie immer stand Ayumi einen Moment K eit war, davor, Hand an der Klinke, Kopf gesenkt, und zählte innerlich bis fünf, bevor sie tief einatmete und eintrat. Innen lagen bereits zwei, vier, sechs Personen auf ihren Matten, alle ganz hinten, als hofften sie, dort unentdeckt zu bleiben. Es war kühl im Raum, alle Fenster waren gekippt, und Ayumi, die sich an dieser Stelle immer unsicher war, ob sie »Hallo« sagen sollte oder nicht, durchquerte still den Saal und rollte ihre Matte vorne in der Mitte aus. Dann sagte sie »Hallo«, worauf niemand antwortete, Arschlöcher , alle lagen einfach mit geschlossenen Augen, die Beine angewinkelt, auf dem Rücken, als wäre sie gar nicht da. Ayumi entschied, sich nichts daraus zu machen und schloss der Reihe nach die großen Fenster, die zum Innenhof gingen. Es regnete immer noch. Die Touristen im Hof – Penner! – hatten Schirme aufgespannt. Hier und da ging das Blitzlicht einer Kamera. Volltrottel! Nachdem sie mit ihrer Runde fertig war, machte sie die Stereoanlage an, legte die mitgebrachte CD ein, eine Zusammenstellung verschiedener meditativer Musikstücke, die sich im Tempo steigerten, bevor sie nach etwa 60 Minuten wieder ruhiger wurden, nahm die Fernbedienung an sich und lächelte einer Teilnehmerin zu, die sie unverwandt ansah, scheißblöde Kuh , während sie wieder zu ihrer Matte ging. Meistens schaffte sie es, innerhalb des Yogasaals ihre Gedanken im Zaum zu halten. Möglicherweise war es nur Einbildung, doch schien hier durch all die in Gemeinschaft durchatmeten Stunden eine beruhigende Atmosphäre zu herrschen, jedenfalls fühlte sie sich in diesem Raum anders als sonst, erhabener, auch größer seltsamerweise, jedenfalls kurz. Eine dunkelhäutige Frau, deren Haare aussahen wie eine Afro-Faschingsperücke – Obladi-oblada dich doch selbst, blöde Kuh –, kam in den Raum und schloss die Tür hinter sich. Offenbar war sie die letzte. Ayumi sah auf ihre Uhr. »Dann kommt bitte ins Sitzen«, sagte sie.
    Die wenigen Kursteilnehmerinnen richteten sich auf. Als alle saßen und Ayumi mit ihrem Unterricht beginnen wollte, ging die Tür auf und ein großer, schwer gebauter Mann mit rötlichen Haaren, die er sich zu einem kleinen Dutt am Oberkopf zusammengesteckt hatte, kam herein: Holger. Scheiße. »Tschuldigung«, stieß er hervor, rollte seine Matte in der Nähe der Tür aus und ließ sich darauf nieder. Sein Atem war durch den ganzen Raum zu hören, Maul halten, du hässlicher, hässlicher, bescheuerter Mann, hau sofort wieder ab, du peinlicher Kackpimmelschwanz, wenn ich dein Gesicht schon sehe, ich könnt’ dir so reinschlagen – offensichtlich war er gerannt. Holger war ein paarmal mit Ayumi zusammen in der Lehrer-Ausbildung gewesen, hatte diese aber abgebrochen, weil sie sich zeitlich nicht mit seiner Arbeit als Krankenpfleger vereinbaren ließ, und nun gab er manchmal während der Unterrichtsstunden seinen ehemaligen Kollegen Hilfestellungen oder versuchte sich sonst irgendwie
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