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Mein wildes Herz

Mein wildes Herz

Titel: Mein wildes Herz
Autoren: Martin Kat
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wahr?“ Corrie warf ihr einen warnenden Blick zu. Sie wusste, wie selbstständig Krista handelte und wie sehr sie es hasste, den Professor mit Problemen zu belästigen, die die Zeitung betrafen. „Krista …?“
    „Schon gut, ich werde sie ihm zeigen.“ Sie sah zu dem Loch in der Fensterscheibe, durch das die kalte Aprilluft hereindrang. „Jemand soll ein Brett davornageln und das Glas zusammenfegen.“ Die Botschaft in der Hand, eilte sie zur Treppe. „In einer Minute bin ich zurück.“
    In den Nächten, in denen Krista noch spät arbeitete, bestand ihr Vater darauf, sie nach Hause zu begleiten. So auch an diesem Abend. Er war einige Stunden zuvor gekommen und arbeitete jetzt oben in seinem provisorischen Studierzimmer. Es gab auch noch einen Raum für Geschäftsbesprechungen und einen mit einer schmalen Liege, wo man ein Nickerchen machen konnte, wenn es gar zu spät wurde.
    Sie klopfte an seine Tür, wartete und klopfte erneut. Endlich gab sie es auf, öffnete die Tür und betrat den hohen Raum, dessen Wände mit Büchern bedeckt waren.
    „Es tut mir leid, Sie zu stören, Vater, aber …“
    „Mir war, als hörte ich jemanden.“ Er nahm die Brille ab und sah von den Büchern auf, die aufgeschlagen vor ihm auf dem Tisch lagen. Er war dürr und außerordentlich groß. Krista hatte ihre überdurchschnittliche Größe von den Eltern geerbt. Doch das blonde Haar, die grünen Augen und die üppige, vollbusige Figur waren das Erbe ihrer hellhaarigen Mutter.
    „Ich war so sehr in diese Übersetzung vertieft“, erklärte der Professor. „Sind wir fertig? Ist es Zeit, nach Hause zu gehen?“
    „Wir sind noch nicht ganz fertig, aber bald.“ Sie durchquerte den Raum und gab ihm die Nachricht. „Ich dachte, es ist besser, wenn ich Ihnen das hier zeige. Jemand hat diese Botschaft an einen Ziegelstein gebunden und ihn durch das Fenster geworfen. Vermutlich hat diesen Leuten mein Artikel über Mr. Chadwicks Bericht nicht gefallen.“
    „Allem Anschein nach nicht.“ Der Professor sah sie an. „Weißt du, was du da tust, Liebes? Deine Mutter hatte zu einigen Themen ihre unumstößlichen Ansichten, doch sie ließ sie nur selten drucken.“
    „Das ist wahr, aber sie hätte es gerne öfter getan. Und die Zeiten haben sich in den vergangenen paar Jahren geändert. Seitdem wir ein neues Format haben, wächst unsere Leserschaft ständig.“
    „Ich glaube, der Kampf für einen guten Zweck ist ein kleines Risiko wert. Sei nur vorsichtig und treibe es nicht zu weit.“
    „Das werde ich nicht. Nur noch einen Artikel, in dem ich auf die Notwendigkeit von innerstädtischen Wasserleitungen und einer Verbesserung der Abfallbeseitigung hinweise, dann kehre ich zu unserer Kampagne für bessere Arbeitsbedingungen in den Minen und Fabriken zurück.“
    Amüsiert verzog der Professor das Gesicht. „Wenn ich mich recht erinnere, hast du mit diesen Artikeln ebenfalls in ein Wespennest gestochen.“
    Krista verkniff sich ein Lächeln. Sie wusste, dass er recht hatte. „Und wenn auch, ich glaube, unsere Anstrengungen bewirken etwas.“ Sie ging um den Tisch herum und sah ihm über die Schulter. „Woran arbeiten Sie?“
    „An einigen isländischen Tabellen aus dem zehnten Jahrhundert, mit deren Hilfe man für jede Woche des Jahres die Höhe der Sonne am Mittag berechnen kann. Sie sind bemerkenswert exakt. Zuvor hatte ich mir noch einmal eine Übersetzung des Heimskringla Textes angesehen.“
    Der Text war, wie Krista sah, in Altnordisch geschrieben, einer Sprache, die ungefähr von dem Jahr achthundert bis ins frühe fünfzehnte Jahrhundert, der Zeit, in der die letzten bekannten Wikinger aus Grönland verschwanden, in den skandinavischen Siedlungen gesprochen worden war. Ihr Vater beherrschte diese schon lange tote Sprache noch.
    Krista dachte an all die Stunden, die sie als Kind im Studierzimmer ihres Vaters verbrachte, wie sie seinen Erzählungen über die Wikinger gelauscht und sogar ein wenig deren Sprache gelernt hatte. Sie und ihr Vater hatten zusammen geübt, und weil sie ihm eine Freude machen wollte, hatte Krista sich sehr bemüht, ihre Sprachkenntnis zu verbessern. Überhaupt hatte sie eine weit bessere Erziehung genossen als die meisten Frauen. Neben ihren sozialen Ideen waren es das Leben und die Kultur der Nordländer, die auf sie wie auf ihren Vater eine große Faszination ausübten.
    „Du hast eine gute Portion Wikingerblut in deinen Adern“, sagte er immer, wenn sie sich über ihre Größe beklagte und die
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