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Mein verräterisches Herz: Roman (German Edition)

Mein verräterisches Herz: Roman (German Edition)

Titel: Mein verräterisches Herz: Roman (German Edition)
Autoren: Janet Chapman
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zweiundzwanzig Jahren doch gewesen war oder vielmehr: wie geblendet
von Charlottes Schönheit – so sehr, dass er die Dollarzeichen in ihren Augen übersehen hatte. Sie hatte ihn und ihre beiden Kinder fünf Jahre darauf verlassen, nachdem sie begriffen hatte, dass Gewinne in den Kauf von Land und Ausrüstungsgegenständen investiert wurden und dass eine neue Einrichtung sich auf die Anschaffung eines Herdes beschränkte. Vier Monate später war Charlotte bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Alex war als Witwer und alleinerziehender Vater von Delaney und Tucker hinterblieben. Seine Tochter Delaney war jetzt zehn, und Tucker war vor drei Monaten sieben geworden.
    Ja, seine Ehe war ein Fehler gewesen, den er so rasch nicht zu wiederholen gedachte. Er hatte seine Kinder, seinen Vater und seine Brüder sowie ihren gemeinsamen Holzhandel. Er hatte alles, was ein Mann sich vom Leben erhoffen konnte. Von einem Leben, in dem er eine zweite Chance bekommen hatte und das er nie wieder als Selbstverständlichkeit betrachten würde, wie Alex sich schwor, als er zum Domizil der Knights hinüberblickte, das sich drei Meilen weiter am steinigen Ufer unter eine Gruppe ehrwürdige alte Fichten schmiegte.
    Er konnte eben noch den Bootssteg ausmachen, der sich von der Südseite der Halbinsel hinaus ins Wasser erstreckte, und erkannte, dass das Wasserflugzeug nicht da war. Aus dem Schornstein des siebzig Jahre alten Holzhauses stieg jedoch Rauch auf und zeigte ihm an, dass jemand daheim war. Warum hatte dann aber niemand auf seine Anrufe reagiert?
    Einen Augenblick, bevor er ihn sah, hörte Alex den Elf-Achser in seine Richtung kommen. Er trat aufs Gas und steuerte seinen Wagen an den Straßenrand. Rasch kurbelte
er das Fenster hoch, um der Staubwolke zu entgehen, die ihn zeitgleich mit dem ohrenbetäubenden Geheul des Signalhorns traf, als der mit Baumstämmen beladene Transporter vorbeiratterte.
    Es ist Mittwoch, fiel Alex ein, und seine Leute transportierten das gefällte Holz ab. Und morgen war Thanksgiving, was bedeutete, dass Delaney und Tucker diese Woche schulfrei hatten und sein Vater die beiden vermutlich wie jedes Jahr im Wasserflugzeug nach Portland mitgenommen hatte. Grady versuchte wohl, seinen trauernden Enkeln ein Stück Normalität wiederzugeben, in der Hoffnung, sie für eine Weile von ihrem Verlust abzulenken. Ethan würde an Stelle von Alex als Pilot fungieren, und Paul nutzte wahrscheinlich die Gelegenheit, das Haus für sich allein zu haben und seinen Kummer vor einem knisternden Feuer mit einer Freundin zu bekämpfen.
    Alex fuhr feixend das letzte Stück Weg nach Hause, in Gedanken bei dem Stelldichein, das er nun stören würde. Er bog von der Forststraße auf einen schmäleren Weg ab und legte die letzte Meile seiner phantastischen Fahrt zurück, die vor dreizehn Tagen im gebirgigen Dschungel Brasiliens unter Gewehrfeuer ihren Anfang genommen hatte. Die folgenden elf Tage hatte er in der Hölle des Regenwaldes versucht, wieder die Zivilisation zu erreichen, ständig auf der Flucht vor den mordlustigen Halunken, die Jagd auf Ausländer machten, um mit ihnen als Geiseln ihren Privatkrieg zu finanzieren. Es folgten zwei Tage Bürokratie in der Botschaft, unbeantwortete Anrufe in der Heimat und auf dem Rückflug nach Maine ein ganzer Tag und eine Nacht auf verschiedenen Flughäfen.
    Endlich war der Hof hinter dem Haus erreicht. Alex schaltete den Motor ab, stieg aus und richtete sich auf. Seine eins fünfundachtzig schmerzten in voller Länge. Zerstreut strich er über die Vorderseite seiner Jacke, die er auf dem Flughafen in Cincinnati erstanden hatte, und ließ seinen Blick mit gerunzelter Stirn über den Hof vor der Eingangstür schweifen. Alle vier Pick-ups parkten neben dem Maschinenschuppen. Das bedeutete, dass die Holzfäller, die weiter oben an der Straße arbeiteten, allein waren – nicht ungewöhnlich, denn die Leute waren dank ihrer Erfahrung sehr wohl in der Lage, ohne Aufsicht Schnitt- und Bauholz zu fällen und auf die Laster zu verladen.
    Er musste mit seiner Annahme also recht haben: Grady und Ethan waren mit den Kindern im Wasserflugzeug unterwegs, und Paul hatte das Telefon ausgeschaltet, um sich mit seiner Freundin zu verlustieren. Alex machte einen Satz über die einzige Stufe zur Veranda, hielt dann aber mit der Hand auf dem Knauf der Drahtmaschentür inne. Sollte er die beiden einfach überrumpeln? Seinen kleinen Bruder würde wahrscheinlich vor Schreck der Schlag treffen.
    Ach, Paul
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