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Mein schwacher Wille geschehe

Titel: Mein schwacher Wille geschehe
Autoren: Harry Nutt
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Gebrauch des Tabaks gegen alle böse Luft gut sei«. Das Rauchen wurde so gesehen zur Stimulanz politischer Stimmungen eingesetzt. An den Zusammenkünften nahmen auch Damen teil, und von der Pflicht zu rauchen konnte man sich zugunsten wohltätiger Zwecke freikaufen. Der Sohn Friedrichs I., der so genannte Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I., behielt die Institution des Tabakkollegiums bei, änderte aber grundlegend ihren Charakter. Nun wurde die Runde als reine Männergesellschaften abgehalten. Man traf in einfachen Räumen zusammen, trank reichlich Bier und sprach über Tagespolitik, Religion und anderes. Zum gemeinschaftlichen Rauchen wurden gar die höfischen Regeln außer Kraft gesetzt: Jeder sollte ungehemmt sprechen dürfen, niemand musste sich erheben, wenn der König den Raum betrat. Die Runde traf sich in den Schlössern von Berlin und Potsdam sowie im Jagdschloss Königs Wusterhausen, südlich von Berlin. Zum Teilnehmerkreis gehörten hochrangige Militärs, hinzu kamen gelegentlich Diplomaten und Reisende, von denen man sich interessante Neuigkeiten erhoffte. Regelmäßig anwesend waren auch einige Gelehrte, so genannte »Lustige Räte«, die vom Hof materiell abhängig waren. Sie wurden als Fachleute angehört, häufig aber auch zu übermäßigem Alkoholgenuss und zu Streitgesprächen animiert, die zum Vergnügen der übrigen Anwesenden nicht selten in schweren Handgreiflichkeiten endeten. Einer von ihnen war der Historiker Jacob Paul von Gundling, mit dem sich der wenig feinsinnige König derbe Späße erlaubte. Gundling galt als eitel und willensschwach |47| und wurde wiederholt gedemütigt. Der König brachte so seine Abneigung gegenüber den Wissenschaften zum Ausdruck, von denen er glaubte, dass sie seine Untertanen zu sehr verweichlichten. Sein Sohn, Friedrich der Große, brach mit der Tradition des Tabakkollegiums. Nicht aus grundsätzlichen Vorbehalten gegen den Tabakkonsum. Er bevorzugte Schnupftabak, und er hielt ferner wenig davon, Wissenschaftler vorzuführen. Seine Korrespondenz sowie seine Potsdamer Zeit mit dem französischen Philosophen Voltaire sind inzwischen Legende.
    Über das Anekdotische hinaus verweisen die preußischen Intermezzi darauf, wie sehr der Umgang mit dem Rauchen von Beginn an gesellschaftliche und politische Relevanz hatte. Jede Gesellschaft greift auf die für sie opportunen Hilfsmittel und Drogen zurück. Wenn das Rauchen jetzt aus der Öffentlichkeit verbannt wird, besagt das kaum mehr, als dass die gesellschaftlichen Folgekosten höher eingeschätzt werden als der Nutzen. Das, was das Rauchen bewirkt haben mag, können andere Substanzen heute besser. Was bleibt, ist der Kampf des Einzelnen, das Laster wieder loszuwerden.

|48| Öffentlich gewogen
    »Beginne jeden Tag, als wäre es Absicht.«
    Will Smith
    In einer
Tatort-
Folge mit dem Titel »Schatten der Angst« führte eine Spur des Verbrechens den beleibten Ludwigshafener Kommissar Mario Kopper im Rahmen seiner Ermittlungen geradewegs in ein Fitnessstudio. »Sie suchen wohl einen Trainer?« fragte ihn auffällig munter vom Tresen her eine sportlich attraktive Frau, die den übergewichtigen Kommissar eindeutig als Kunden für anstehende körperliche Ertüchtigung identifiziert zu haben glaubte. Kommissar Kopper ging auf das Angebot zu weiterführenden Dienstleistungen nicht ein. Kühl verwies er mit einem Kopfnicken auf seinen Dienstausweis und sagte schließlich: »Ich will so bleiben wie ich bin.« Die Szene mit dem ironischen Zitat eines Fernsehspots, der für ein kalorienarmes Produktlabel wirbt, war die augenzwinkernde Pointe eines Drehbuchschreibers, der sich dabei des auffälligen Imagewandels des Dickseins bediente. Viel auf die Waage zu bringen, steht für etwas. Aber soll das schon alles gewesen sein? Und so treten die Dicken heraus aus der Deckung, sie trippeln, tänzeln, tanzen und kommen mit Schwung. Trauriger Kloß war gestern. Ihr offenkundiges Übergewicht hindert sie an gar nichts. Sie zeigen, wie sie sind und wie sie sich sehen. Es gibt kein Stigma und keine menschliche Schwäche, die nicht auch für eine Gegenoffensive in Frage käme.
    Und so wirbt der Schauspieler Rainer Hunold ausdrücklich wegen seines beträchtlichen Körperumfangs für so genannte XXL-Produkte des Textilkaufhauses C & A, nicht ohne dabei auf die Möglichkeit aufmerksam zu machen, dass man jenseits der |49| 50 und über 100 Kilo noch sexy wirken und sich auch so fühlen kann. Hunold ist nicht der einzige Vertreter seines
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