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Mein Leben Als Suchmaschine

Mein Leben Als Suchmaschine

Titel: Mein Leben Als Suchmaschine
Autoren: Horst Evers
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verändert.

Wenn es doch überall so viel besser geworden wäre wie in der Zahnmedizin

    »Wer heute noch Angst vorm Zahnarzt hat, dem ist nicht zu helfen. Die Zahnmedizin hat in den letzten 20 Jahren enorme Fortschritte gemacht. Schmerzen beim Zahnarzt gibt es praktisch gar nicht mehr. Zum Zahnarzt gehen ist heute praktisch wie zum Frisör gehen…«
    Höre diese Sätze immer wieder in einer Endlosschleife.
    Seit Tagen. Habe sie selbst eingesprochen und dann auf den MP3-Player geladen. Als Vorbereitung auf meinen mit großer Spannung erwarteten Zahnarzttermin. Den ersten seit über 15 Jahren. Ob der Zahnarzt wohl genauso aufgeregt ist wie ich? Eigentlich hätte ich schon längst mal einen Termin ausmachen wollen, aber dann kam irgendwie immer wieder etwas dazwischen. Mal war’s Hunger, mal war ich müde, ein andermal hatte ich grad nichts zu schreiben gehabt, um mir einen möglichen Termin zu notieren. Das Übliche eben. Aber jetzt hab ich es ja doch noch geschafft, mal einen Termin auszumachen. Also, genaugenommen hat es die Freundin geschafft. Aber ich habe es geschafft, mir den von ihr ausgemachten Termin zu notieren. Also, aufgeschrieben hat sie ihn natürlich, aber ich habe den Zettel nicht verloren. Also, verlegt habe ich ihn schon, aber dafür den Termin nicht vergessen, wobei es sicherlich auch ein wenig geholfen hat, daß sie mich seit Tagen quasi stündlich daran erinnert hat. Diese Sätze über die vollkommen schmerzfreie moderne Zahnmedizin hat sie mir auch rausgesucht. Aber sonst habe ich alles ganz alleine geschafft. Den Weg bis zur Praxis und so. Mußte dann nur noch ein bißchen warten, weil ich irgendwie die Zeiten mit dem Termin und so durcheinander gebracht habe. Doch dann geht’s endlich ins Behandlungszimmer. Die Assistentin dreht den Liegesessel so, daß ich direkt auf die schöne Urkunde »painless dentist« schaue.
    »Na siehste!« denke ich, und nicht nur das, auch psychologisch sind die Dentisten mittlerweile richtig gut geschult…
    Der Zahnarzt schaut sehr lange und sehr nachdenklich in meinen weit aufgerissenen Mund. Dann endlich findet er seine Sprache wieder.
    - Wissen Sie, woran ich denken muß, wenn ich so in Ihren Mund schaue?
    - Nein?
    - Ich war echt lange nicht mehr auf der Akropolis. Sagen Sie mal, Ihre Zähne haben aber auch schon mal bessere Zeiten gesehen.
    Denke, na, der Anfang lief ja schon mal ganz gut. Beschließe, die Situation mit einem kleinen Mörderscherz aufzulockern.
    - Jaha, das ist der Zahn der Zeit, hähäää…
    - Oh nee, das hat mit dem Alter nix zu tun. Gucken Se mal hier!
    Er grinst mir seine Zähne breit entgegen.
    - Mmh, sehen echt super aus.
    - Und dabei bin ich bestimmt zehn Jahre älter als Sie. Und was meinen Sie, warum meine Zähne so sind und Ihre eben so na ja?
    - Weiß nicht? Vielleicht, weil Sie den besseren Zahnarzt haben?
    Stille. 3, 4, 5, 6 Sekunden: Stille, dann plötzlich:
    - Haha, der ist gut, den muß ich mir merken, der gefällt mir. Haha. Wollen Sie ’ne Betäubung?
    Erneut Stille. Er grinst.
    - Weiß nicht? Brauch ich eine?
    - Och, an sich glaub ich, Sie schaffen das auch ohne. Für die Behandlung wäre das auch besser.
    Denke scharf nach. Fand er meinen Witz wirklich lustig? Lasse den Blick schweifen. Die Assistentin versucht mir offensichtlich mit angstverzerrtem Gesicht irgendetwas mitzuteilen.
    - Also, was ist nun? Machen wir ohne, ne?
    Die Assistentin wird jetzt richtig unruhig. Hektisch schlägt sie vor, vielleicht doch noch einen Schmerzsensibilitätstest zu machen.
    - Echt? Na gut. Mit Eis. Wenn Sie Schmerzen spüren, schreien Se einfach. Wenn nicht, machen wa ohne.
    Er balanciert ein Stückchen Eis in den Mund. Ich schreie auf vor Schmerz. Die Assistentin hat mir in den Arm gekniffen. Und wie! Der Zahnarzt ist enttäuscht:
    - Oh Gottogott, Sie sind aber empfindlich. Naaa gut, machen wa eben mit Betäubung.
    Die Assistentin strahlt erleichtert. Während sie die Spritze fertig macht, entwirft der Arzt für meinen Mund einen Schlachtplan. Mit einem Metallhaken tippt er leicht auf die einzelnen Zähne:
    - Ene mene meck und du bist weg. Ach? Na gut, fangen wir halt mit dem an. Zumindest der neue Weisheitszahn rechts unten ist wohl noch okay. Der wird keine Probleme machen, den können wir stehenlassen. Immerhin. Der Rest, ich sag mal, entweder Fassadenarbeiten, oder wir machen’s wie beim Stadtschloß, Abriß und kompletter Neubau.
    Was redet dieser Mann. Er will mir ein Stadtschloß in den Mund bauen? Sage:
    - Ich war ja
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