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Mein Leben Als Suchmaschine

Mein Leben Als Suchmaschine

Titel: Mein Leben Als Suchmaschine
Autoren: Horst Evers
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eigentlich immer eher für den Erhalt des Palastes der Republik.
    - Ehrlich? Na gut, dann sanieren wir eben den Palast der Republik in Ihrem Mund. Schade, ich hätte Ihnen auch das Stadtschloß gegönnt. Wär genauso schön geworden wie das echte. Und auch von den Kosten her wär’s in etwa aufs Gleiche rausgekommen.
    Ich lache, so gut man das mit einem Metallhaken und einem Spuckesauger im Mund eben kann. Dabei hat er diesmal tatsächlich keinen Scherz gemacht.

Den Standort Evers fit machen

    Montagmorgen 7.00 Uhr. Irgendwas rumpelt im Magen. Oh nee, was is das denn nu wieder? Spüre genauer nach. Aaah ja, das ist wieder diese Aufbruchstimmung. Leide seit einiger Zeit immer häufiger unter Aufbruchstimmung und Zuversicht. Kann man nix machen. Gegen seine Natur ist der Mensch ja machtlos. Muß ich wohl wieder ran. Also gut, denn wolln wir mal:
    Hey, hey, hey, hier geht was ab! Jetzt wird aber alles besser, aber hallo. Das wird aber dermaßen, aber sowas von, das haste noch nich jesehn. Da is die Hölle los. Mann, mann, mann, boarrh, das gibt noch mal so richtig neue Gründerjahre mit allem Schnickschnack und Pompom, fett das Wachstum und das ganze Zeug. Jawollja!
    So. Das war das. Dreh mich noch mal um. Aber kann jetzt nicht mehr schlafen. Plötzlich Zweifel. Was, wenn Du gar nicht dabei bist? Was, wenn hier richtig Aufschwung is, mit allem Schnickschnack und so, und die nehmen Dich gar nicht mit? Das trau ich denen zu! Das wär wieder typisch, so wie damals mit diesem Aktienmist, wo alle inner Hängematte Millionär geworden sind, und mir sagt wieder keiner was. So seht Ihr aus. Damals, da hammse sich doch alle von der Bank ’nen privaten Geldautomaten inne Wohnung hängen lassen, und ich kriegte nicht mal`n Deckel inner Kneipe. Aber diesmal nich! Diesmal wird das anders. Dieser Aufschwung, da steht aber mein Name drauf!
    Ich darf mich nur nicht auf den Staat verlassen. Ich muß den Standort Evers fit machen. Fit für alles, den Markt, ausländische Investoren und den ganzen Rest. Sofort geht das jetzt hier los, auf der Stelle, direkt… also, morgen.

    Dienstagmorgen. Jetzt geht’s los.
    Betrachte den Reformstau bei Abwasch, Wäschebergen und Schreibtisch. Das muß hier alles liberalisiert werden. Ein »Weiter so« kann es nicht geben. Teile dem Abwasch, den Wäschebergen und dem Schreibtisch mit, daß sie von nun an für sich selbst verantwortlich sind. Den Rest wird dann ja wohl der Markt erledigen.
    Muß neue Felder erschließen. Denktabus darf es nicht mehr geben. Überdenke mein Konzept der Mülltrennung. Wenn ich den Müll nicht mehr trennen würde, bräuchte ich statt vier nur noch einen Müllbehälter. Das würde meinen Verwaltungsapparat entlasten und gleichzeitig Platz schaffen für ausländische Investoren oder so.
    Muß mehr in Bildung investieren. Bildung ist der Schlüssel. Suche im Internet nach korrupten Universitäten. Schreibe sie dann an und frage, was es mich kosten würde, mir einen Doktortitel zu kaufen.
    Muß endlich ausländische Investoren in die Wohnung holen. Sollte dem australischen Wirt von der Kneipe an der Ecke anbieten, den durch die wegreformierten Müllbehälter frei werdenden Platz in der Wohnung als Getränkelager anzumieten.
    Der demographische Faktor macht mir Sorgen. Bin schon wieder älter geworden. Wenn das so weitergeht, ist kein Ende abzusehen. Fühle mich beängstigend gesund. Muß mein Konzept der Altersvorsorge völlig neu überdenken. Es auf neue solidere Füße stellen. Beginne Überraschungseierfiguren zu sammeln.
    So. Jetzt sollte ich endlich Kontakt mit meinem ausländischen Investor aufnehmen. Gehe runter zur Kneipe. Muß erst mal einen Markt schaffen. Brillanter Plan. Wenn ich ganz viel trinke, steigt sein Umsatz, die Lagerkapazitäten stoßen an ihre Grenze, und dann schlag ich zu. Rest des Tages verbringe ich in der Kneipe mit der Ankurbelung meines Konjunkturprogramms…

    Mittwochmittag. Für die Altersvorsorge zwölf Überraschungseier gefrühstückt. Seltsames Völlegefühl. Fühle, daß Großes bevorsteht.
    Muß weiter Zukunftstechnologien erschließen. Keine Denktabus mehr. Sollte auch mal über Gentechnik nachdenken. Wenn es gelänge, die Zimmerpalme mit dem Staubsauger zu kreuzen, würde vielleicht die Zimmerpalme die Wohnung putzen. Verkable die Zimmerpalme und schließe sie an den Staubsauger an. Wenn ich erst mal Zimmerpalmen züchten kann, die die ganze Wohnung in Schuß halten, macht mich das zum Weltmarktführer.
    Muß weiter meinen Haushalt
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