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Mein Leben Als Suchmaschine

Mein Leben Als Suchmaschine

Titel: Mein Leben Als Suchmaschine
Autoren: Horst Evers
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auch schon längst getan.
    Im Flur stehen 1a-Laufschuhe. Vorletztes Jahr nach dem Berlin-Marathon dachte ich: Das kannst du auch. Hab gleich am nächsten Tag mit dem Training begonnen. Erst mal ein paar Kilometer locker durch den Park. Aber nach 800 Metern hatte ich das Gefühl, die Lungenflügel fliegen mir um die Ohren. Konnte mir nicht erklären, woran das lag. Kam dann zu dem Schluß: Wahrscheinlich die Schuhe, du hattest einfach nicht die richtigen Schuhe. Habe mir dann diese Top-Profi-Laufschuhe gekauft, ergonomisch getestet im Windkanal, in der Wüste, im Gebirge; belastbar bis weit über 100.000 Laufkilometer. Heute sind diese Schuhe die wahrscheinlich am meisten unterforderten Gegenstände in meinem Haushalt. Bin immerhin im letzten Jahr mit ihnen mal an die Marathonstrecke, damit sie wenigstens mal anderen beim Laufen zugucken können.
    Wenn ich mir demnächst einen neuen Videorecorder kaufen will, wird der Verkäufer sicher sagen: »Das ist Quatsch.« Ich soll mir lieber einen DVD-Recorder kaufen, die können mittlerweile noch mehr. Und mir wird das natürlich einleuchten, denn je mehr technische Möglichkeiten man hat, desto größer ist das Gefühl von Freiheit, von Unabhängigkeit. Aber natürlich nur, solange man diese Möglichkeiten nicht zu nutzen versucht. Wahrscheinlich würde das ja eh alles nicht wirklich funktionieren, und dann hält man sich für zu blöd.
    Da ist es doch besser, zu denken, man könnte, wenn man nur wollte, aber muß ja nicht. So, wie damals in der Schule, wo ich auch häufig gar nicht erst versucht habe, die Fragen der Lehrer zu beantworten. Dafür dann aber denken konnte: Wenn ich nur wollte, wenn ich mir wirklich Mühe geben würde, wäre ich wahrscheinlich der Allerschlauste hier. Ein gutes Gefühl, allein dieser Glaube hat mir gereicht. Ich hatte eine glückliche Kindheit.
    Werd ich mir nun also einen DVD-Recorder kaufen. Was aber wird dann aus den gut 200 Videokassetten werden? Werde sie wohl neben den kaputten Plattenspieler und die rund 500 Schallplatten stellen und dann geduldig warten, bis das alles total die Raritäten sind und damit schweinemäßig wertvoll. Quasi eine weitere Säule meiner Altersvorsorge. Und dann werd ich mal wirklich eine gute Tat vollbringen. Ich werde zur Waschmaschine gehen und einfach mal eines dieser abstrusen Waschprogramme laufen lassen. Pflegeleicht-Feinwäsche-Synthetik-Spezial, mit extra Wasser, schonend schleudernd, bei aktivierter Fuzzy-Logik-Automatik, Energiespartaste, 37 Grad im Bettwäschemodus. Na, die wird Augen machen. Hoffentlich wird der Eierkocher nicht neidisch.

Mein Recht als Staatsbürger

    Mein Fahrrad ist gestohlen worden. Aus dem Innenhof. Schon wieder. Schon das dritte Fahrrad, das mir in Berlin gestohlen wurde. Jetzt reicht’s. Polizei gerufen. Der Kontaktbereichsbeamte findet den Diebstahl komisch. Fragt, ob ich sicher bin, daß das Fahrrad gestohlen wurde. Sage, das Fahrrad ist weg, mir persönlich reicht das ja als Beweis. Er sagt, es könnte ja auch sein, daß ein Freund das Fahrrad kurz geliehen hätte oder daß ich das Fahrrad einfach irgendwo vergessen hätte.
    Na wunderbar. Hält der mich eigentlich für völlig bescheuert? Sehe ich so doof aus? Das Fahrrad irgendwo stehengelassen! Wenn der keine Lust hat, den Diebstahl aufzunehmen, soll er es halt sagen. Zumindest dazu stehen, daß er zu faul ist, seine Arbeit zu machen. Seine Arbeit, für die ich ihn doch schließlich mit andrer Leute Steuern bezahle.
    Wenn ich mal, ein wenig angetrunken, nachts, über den Bürgersteig staksend, versehentlich die eine oder andere Alarmanlage von parkenden Autos auslöse und dann, auch aus Versehen, dort stehenbleibe und im Takt der hupenden Alarmanlage »Come on, baby, light my fire« singe, dann sind sie sofort da, halten lange Vorträge, kritisieren meinen Gesang, zücken Bußgeldbescheide, pipapo … Das ist ihnen nicht zu mühsam. Aber wehe, man will mal was von ihnen. Dann tun sie so, als wäre man nicht ganz richtig im Kopf, zu doof zum Leben. Es ist doch eine Frechheit, was man sich alles gefallen lassen muß.
    Das alles würde ich ihm gerne sagen. Aber ich sage es nicht, weil ich eben so blöd nun doch auch wieder nicht bin. Weil ich weiß, das würde unser Verhältnis nur belasten. Dann tut er gar nichts mehr für mich. Im Gegenteil, wahrscheinlich gäbe es Scherereien. Also halte ich meinen Mund und lasse mich von ihm demütigen, weil ich eben schlau bin, und auch, weil mir just in diesem Moment einfällt, daß
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