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Mein Leben als Stuntboy

Mein Leben als Stuntboy

Titel: Mein Leben als Stuntboy
Autoren: Janet Tashjian
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Sekunde im Auge behalten will. Tony stellt uns der Regisseurin vor, die Collette heißt und eine wilde braune Haarmähne hat, die unter ihrem L.A.-Dodgers-Basecap hervorquillt. Wie sich herausstellt, haben sie und Dad vor ein paar Jahren schon mal bei einem Thriller zusammengearbeitet, und sie sagt, dass sie sich drauf freut, jetzt auch mit mir zu arbeiten.
    »Lasst euch so viel Zeit, wie ihr braucht, du und Tony.« Sie beugt sich zu mir runter und zwinkert. »Solange ihr bis morgen früh um neun Uhr fertig seid.«
    Sie lacht, aber irgendwas sagt mir, dass das eher kein Witz war. Ich bin froh, dass mein Job aus Springen und Klettern besteht, nicht aus Lesen und Lernen. »Kinderspiel«, würde mein Onkel Bob dazu sagen.
    Auf dem Weg zum Set tänzelt Tony vor mir her, als wären wir Boxer, die in den Ring steigen. »Ich erklär dir erst mal die Grundlagen«, sagt er. »Die Hauptfigur des Films heißt Chris. Ist gerade von einer Halloween-Party nach Hause gekommen, da dringen plötzlich seltsame Geräusche aus dem Nachbarhaus. Also geht Chris raus, um nachzuschauen, die Regisseurinruft: ›Schnitt!‹, und dann kommst du ins Spiel. Wenn Collette ›Action!‹ ruft, rennst du über den Hof und kletterst hier rauf.« Tony biegt um die Ecke und zeigt auf die höchste Mauer, die ich je gesehen habe.
    »Na, was meinst du?«, fragt er.
    Ich kann nicht antworten. Bin schon auf halber Höhe die Mauer hoch.

Wie kann man so was NICHT klasse finden?
    Überraschenderweise bleibt Dad auf dem Set ziemlich im Hintergrund. Er trifft ein paar Bekannte, die er noch von anderen Jobs kennt, und beobachtet mich daher nicht jede Sekunde mit Argusaugen. Puh.
    Bekannte
    Tony scheint mit meinen Kletterkünsten einverstanden zu sein, und als die Regisseurin vorbeikommt, streckt er ihr den hochgereckten Daumen entgegen. Dann bringt er mich zum Wohnwagen der Kostümbildnerin, damit ich eingekleidet werde   – mit den gleichen Klamotten, die auch Chris in der Szene trägt.
    Die Kostümbildnerin heißt Zoe. Siefragt mich, welche Größe ich normalerweise trage, und ich komme mir total blöd vor, als ich zugeben muss, dass ich das nicht weiß, weil meine Mutter mir immer noch alle Klamotten kauft. Aber sie lächelt und sagt, ihr Sohn hätte auch keine Ahnung, welche Größe er braucht. Dadurch fühle ich mich gleich ein bisschen besser, aber nicht viel. Sie nimmt meine Maße, dann geht sie mehrere Kleiderständer durch.
    Als sie zurückkommt, kann ich nur mit Mühe einen erstaunten Aufschrei unterdrücken.
    unterdrücken
    »Ich soll einen Schlafanzug anziehen?«
    »Chris hat sich gerade bettfertig gemacht, als es heißt, rausgehen und bei den Nachbarn nach dem Rechten sehen, schon vergessen? Das schreit geradezu nach einem Schlafanzug, würde ich sagen.«
    Das Ding ist aus dickem knallrotemFlanellstoff, mit aufgedruckten Hundeknochen und Leinen drauf. Fühlt sich bequem an, aber das Muster erinnert mich an Bodi.
    Als ich den Schlafanzug anhabe, sagt Zoe, ich soll mich auf eine Kiste stellen, die mitten in ihrem Wohnwagen steht, damit sie mir die Sachen anpassen kann.
    anpassen
    »Heute sind ja nur die Proben angesetzt«, sage ich. »Ich kann’s kaum erwarten, morgen die Schauspieler kennenzulernen.«
    Sie murmelt etwas vor sich hin, während sie meine Hose hochsteckt, und da sehe ich, dass sie den Mund voller Stecknadeln hat und nicht richtig antworten kann.
    »Tanya Billings spielt ja auch mit«, sage ich. »Die finde ich toll.« Tanya Billings hatte früher mal eine Sendung beim Zeichentricksender, bevor sie letztes Jahr einen Action-Streifen gedreht hat, der ein superduper Kinoerfolg wurde. In den Zeitschriften, die bei Mom in der Praxis ausliegen, sind Fotos von ihr, wie sie ganz normale Sachen macht, Fahrrad fahren, einkaufen gehen und so. Ich weiß nicht genau, was für eine Rolle sie in unserem Film spielt   – vielleicht die Schwester von meinem Chris?
    Von Tanya Billings wandern meine Gedanken zu Matt ab   – wir haben uns Tanyas letzten Film mindestens vier Mal zusammen angeschaut. Meine Beziehung zu Matt ist ungefähr so wie meine Beziehungen zu Mom und Dad und Bodi und Grandma   – sie ist einfach da und war schon immer da, ohne dass man sich darüber groß Gedanken machen oder sich darum bemühen muss. So ein kleiner Streit wie neulich kann unserer Freundschaft unmöglich was anhaben. Wenn ich Tanya Billings morgen kennenlerne, kann ich sie vielleicht bitten, mir ein Autogramm für Matt mitzugeben. Da freut er sich
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