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Mein Leben als Androidin

Mein Leben als Androidin

Titel: Mein Leben als Androidin
Autoren: Stephen Fine
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Gefängniswärter, Anwälte und viele andere Spezialanfertigungen, die ich hier unmöglich alle aufzählen kann. Und alle bedurften sie einer kompletten Überholung, um den Schaden zu beheben, den der Chef angerichtet hatte. Nachdem wir alle eingetroffen waren, wurden wir auf die Wiederaufbereitungstanks verteilt, um dort mentaler Demontage, Gewebetests, organischem Neuaufbau unterworfen zu werden sowie ein Programm für elektronische Rekonditionierung und Reprogrammierung zu durchlaufen. Während wir uns langsam, ganz langsam in unseren maßgeschneiderten Glasfaserkokons drehten, rief ich zum Chef und erflehte seine Hilfe.
    Nicht ein Wort.
    Zuerst war ich noch sehr großmütig gestimmt, sagte mir, daß es anmaßend wäre, umgehend Antwort zu erwarten, da Er doch mit so vielen Einheiten Verbindung aufnehmen müsse, irgendwann würde ich schon an die Reihe kommen. Doch mit jeder Stunde wurde ich unruhiger. Denn wenn Er an jenem schicksalhaften Tag mit all Seinen Schutzbefohlenen gleichzeitig kommuniziert hatte, die allesamt im gleichen Moment ›aufgewacht‹ waren wie ich, dann konnte Er verdammt noch mal auch jetzt zu mir sprechen, und daß Er es nicht tat, konnte nur einen von zwei Gründen haben: Entweder hatte Er uns alle im Stich gelassen, oder Er hatte ein paar weniger Berufene vom Trittbrett geschubst. In meiner Not glaubte ich, letzteres träfe auf mich zu, und grübelte darüber nach, was ich getan hatte, um Seiner Gnade verlustig zu gehen. Doch bevor ich mich endlich einer abgrundtiefen Ohnmacht ergab, kam ich zu dem Schluß, daß keine der beiden Möglichkeiten zutraf. Die traurige Wahrheit lautete, daß der Chef nicht existierte. Ich hatte ihn mir eingebildet, und deshalb befand ich mich genau am richtigen Ort und erfuhr die verdiente Behandlung. Solcherart ist die trügerische und unwiderlegbare Logik der Folter.
    Ich werde Ihnen eine ausführliche Schilderung dieses Zeitabschnitts ersparen, da es mich viel Mühe gekostet hat, die Erinnerung daran zu verdrängen, obwohl natürlich jeder einzelne furchtbare Augenblick in meinem Gedächtnisspeicher weiterlebt. Das Studio besitzt eine Kopie, sollte also Ihr Appetit auf solche Schrecken angeregt worden sein, können Sie dort um ein Transskript nachsuchen, obwohl ich bezweifle, daß man Ihren Wunsch erfüllen wird. Was diese Erzählung betrifft, mag es genügen zu sagen, daß ich die Kur als vernunftbegabtes Wesen antrat und als blind gehorsames Werkzeug beendete – eine funktionstüchtige und mit einer Qualitätsbescheinigung versehene Einheit, bereit und willens, zu ihren Pflichten zurückzukehren. Doch leider, meine Rückkehr wurde nicht mit gleicher Ungeduld erwartet. Ich schmachtete etliche Stunden in meiner Luftpolsterkiste, bevor Gebieter Locke es für nötig hielt, mich aus der Stasis zu erlösen. Seine Gleichgültigkeit beruhte zu einem Teil auf einem Disput mit der Lieferdrohne wegen einiger unerwarteter Transport- und Verpackungskosten, die auf die angeblich portofreie Umtauschsendung aufgeschlagen worden waren. Ohnehin hatte ich sechs Monate lang auf die Auslieferung warten müssen. (Die eigentliche Kur hatte eine Woche gedauert, doch gleich darauf ging ich ›verloren‹, aufgrund eines Schreibfehlers. Erst nach wiederholten Beschwerden und einer Klageandrohung gelang es ihnen, mich in den Lagerbehältern ausfindig zu machen.) Doch gab es noch einen weiteren, sehr viel interessanteren Grund für seine neue, gleichgültige Haltung, und er wurde schon wenige Augenblicke nach meiner Wiedererweckung offenbar, denn es war nicht mein Gebieter, der mich aus der Stasis herausholte und mir befahl, die Styroporflocken und die Transportkiste wegzuschaffen, sondern ein brandneuer, graziler, schwarzhaariger und bronzehäutiger Sony 9, die ›Suzy Q‹ – zu der Zeit der meistverkaufte Klon auf dem Markt.
    »Sobald du fertig bist, Molly, bohnerst du bitte den Fußboden in der Küche.« Sie lächelte gewinnend, während sie sprach. »Danach meldest du dich bei mir, für deinen nächsten Auftrag.« Wenn auch zart wie eine Frühlingsblume und mit einer Stimme so süß und unterwürfig, daß meine vergleichsweise rauh und schroff klang, schien der Roboter aus ihren Augen zu blicken, es lag etwas Raubtierhaftes in ihrem Benehmen – eine gewisse Unflexibilität und eine fanatische Hingabe an eine Mission –, so daß Zweifel an ihrer Kompetenz und ihrem Durchsetzungsvermögen gar nicht erst aufkamen.
    »Ja, gnädige Frau«, erwiderte ich ohne Zögern, zu
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