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Mein Koerper und ich - Freund oder Feind

Mein Koerper und ich - Freund oder Feind

Titel: Mein Koerper und ich - Freund oder Feind
Autoren: Hanne Seemann
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jedem Fall aber erzwingt die Erkrankung eine Pause – die ist gesund. Und manchmal hat man den Eindruck, dass eine Krankheit genau deswegen gekommen ist: um eine Unterbrechung zu erzwingen.
    Hingegen ist Kranksein im Sinne einer psychosomatischen Störung – d. h. einem schlechten Allgemeinbefinden, die sich überall im Körper manifestieren kann und längerfristig eine schwere, auch chronische Beeinträchtigung des Lebensgefühls und Lebensvollzugs darstellt – noch einmal etwas anderes. Was soll daran gesund sein? Solche Befindens-Störungen kann man lange Zeit ertragen und mit ein wenig Ausgleich – Sport, Ruhe, Urlaub, Wellness – kompensieren, ohne den Löffel wegzulegen.
    So ist es mit den psychosomatischen Störungen, sie sind geduldig, langmütig, sie erzwingen nichts abrupt, sie reagieren, zumindest anfangs, positiv, wenn man ihnen eine Pause anbietet. Dann pausieren die Symptome ebenfalls – bis wir wieder in den alten Trott geraten. Ein Unterschied zu somatischen Erkrankungen: Die funktionellen Symptome bedürfen keiner Differenzialdiagnostik. Egal, um welche Erscheinungsform es sich handelt – der Körper ist da sehr erfinderisch, denken Sie nur an die Geschichte von Sylvia –, immer können sie als ein Signal verstanden werden, dass mit dem Leben etwas nicht stimmt.
    Und dann gibt es noch die vermischten Formen, die man nicht so einfach zuordnen kann, bei denen vielleicht beides zusammenkommt oder wo eine chronische funktionelle Störung in eine organische Krankheit übergegangen ist.
    Die Symptome einer organischen Erkrankung bleiben bestehen, bis die Krankheit geheilt ist. Die Symptome einer psychosomatischen Störung machen eine Pause, wenn man sich am richtigen Ort und in der richtigen psychischen Verfassung befindet. Darauf sollte man achten.
    Ein junger Patient berichtete mir von seiner sexuellen Störung, genauer Erektionsunfähigkeit, die mit seiner neuen Beziehung vor drei Jahren begonnen hatte und seither lückenlos anhielt – die aber zwei ganze Wochen lang weg war, als er von einem Neuseeland-Aufenthalt zurückgekommen war. Die Freundin war die Gleiche, an ihr kann es also nicht gelegen haben. Da hat die Störung eine Pause gemacht! Er in Neuseeland aber auch! Wir kennen das von Urlauben: Die Erholung hält nach der Heimkehr ein wenig vor, dann ist wieder alles beim Alten. Gefragt nach dem Unterschied in seinem Lebensgefühl hier und dort, sagte der junge Mann: »Dort habe ich mich sehr frei gefühlt – dieses Gefühl ist jetzt wieder weg. Ich spüre jetzt deutlich, wie eng hier alles ist.« Im Urlaub ist das oft auch so: Manche finden dieses Freiheitsgefühl einfach schön und kehren danach unbeschadet wieder in die Enge ihres Lebens zurück – bis zur nächsten Auszeit. Andere brauchen die Freiheit ganz dringend, und wenn sie sie nicht in ausreichendem Maße bekommen können, funktioniert manch anderes auch nicht. Es ist in diesem und in vielen anderen »Fällen« nicht erlaubt, sogleich das Naheliegende, in diesem Fall die derzeitige Freundin, als Erklärung heranzuziehen – sie war nur der unmittelbare Anlass, zu dem sich die Störung manifestierte: Sexualität hat bei diesem jungen Mann etwas mit freier Entfaltung, und diese hat wiederum etwas mit der gesamten Lebenssituation zu tun.
    Zusammenfassend können wir sagen: Wenn wir keine Symptome hätten, würden wir vielleicht so weitermachen, bis wir umfallen oder wenigstens chronisch krank sind. Nun sind aber die Symptome selbst Ausdruck einer mehr oder weniger gravierenden Störung im komplexen Zusammenspiel unseres leib-seelischen Organismus, die durch Stress in seinem Milieu ausgelöst werden. Der Organismus bemüht sich, zu reparieren und seine Stabilität zu erhalten oder wiederzugewinnen. Wird der Stress aber gravierend, passiert etwas, was den Organismus verändert.
    Und das bedeutet Fortschritt! Wir müssen uns also nicht darüber aufregen oder es beklagen, wenn unser Leben nicht immerzu wie ein ruhiger Fluss beschaulich dahinfließt, was manche Menschen schön fänden und für wünschenswert halten.
    Schon auf der Zellebene gibt es nämlich zwei grundlegende Mechanismen: Bewahrung der Stabilität und Möglichkeiten zur Veränderung, sprich Weiterentwicklung. Dass zum Beispiel unser Immunsystem auf die heutigen »Feinde« eingestellt ist und sich immer weiter auf neue Feinde einstellen kann, beruht darauf, dass es Gene von Viren in sein eigenes Genom aufnehmen kann: Es kennt sie und kann sie bekämpfen. Bakterien
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