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Mein Jakobsweg

Mein Jakobsweg

Titel: Mein Jakobsweg
Autoren: Elke Sauer
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Glück! Mit den Resten vom Vortag, dem Wein in meiner Wasserflasche und diesem knusprigen Weißbrot ist mein Abendessen gesichert. Als die anderen von ihrem Menü zurückkommen, das hier in der Herberge ausgegeben wird, schlafe ich schon.
     

Von Boadilla del Camino nach Carrión de los Condes
     
     
    Wohin du auch gehst, geh mit deinem ganzen Herzen.
    Konfuzius
     
    M orgens gehe ich noch mal um den Pranger herum, die sogenannte Gerichtssäule. Hier wurden die armen Sünder verurteilt und von ihren Mitmenschen gnadenlos verhöhnt und angespuckt oder sogar gesteinigt. Wie schnell und wie oft ist bei dieser öffentlichen Zurschaustellung wissentlich Unrecht gesprochen worden! Und von dieser grausamen Rechtsprechung trennen uns nur wenige Jahrhunderte. Aber ehe ich diesen Faden weiterspinne, wende ich mich meinem Pilgerweg zu. An halb verfallenen Lehmhäusern vorbei verlasse ich das Dorf. Obwohl, manche sind auch schon sehr gut renoviert und wieder bewohnt. Dann gehe ich an einem Kanal entlang. Dies ist einer der schönsten Abschnitte des bisherigen Weges. Viele Vögel singen, zwitschern und trillern in den Morgen, weit schallt das Lied der Nachtigallen. Gleich neben mir in den Sträuchern hüpfen sie von Ast zu Ast, ich kann sie von Nahem sehen, und sie fliegen nicht einmal weg. Aber die Rohrsänger im Schilf bleiben mir verborgen, so sehr ich auch nach ihnen horche und suche. Bachstelzen laufen über den Weg, und jubilierend steigen wieder die Lerchen in den Himmel hinauf. Nur nicht zu hoch, denn dort droben kreisen die Raubvögel.
    Über die noch feuchten Wiesen stolzieren schon die Störche.
    Ach, könnten doch alle Wege so sein wie dieser! Aber nach sechs Kilometern, die ich recht schnell gegangen bin, ist er zu Ende.
    So früh werde ich wohl in Frómista kein geöffnetes Geschäft finden. Trotzdem sollte ich jetzt frühstücken, und so setze ich mich vor der Kirche auf eine Steinbank. Etwas Käse habe ich noch, das Brot von gestern und mein Wasser. Auf der anderen Straßenseite verlassen die beiden Hotel-Pilgerinnen ihr Hotel. Als ihr Gepäck in einem Auto verstaut ist, kommen sie kurz zu mir herüber. Ich würde auch gern Peter anrufen. Aber die Telefonzelle ist ständig von wartenden Pilgern umlagert. So gehe ich weiter, und auf einer Brücke über einen recht großen Fluss verlasse ich Frómista.
    Ab jetzt verläuft der Camino parallel zu einer breiten Landstraße. Im Abstand von 500 Metern stehen große Steine, mit einer Muschel verziert und der Angabe der Kilometer bis Santiago. Es sind zu viele Steine, und ich schaue schon bald nicht mehr auf die Zahlen. Sie hätten lieber hin und wieder eine Bank aufstellen sollen.
    Nur selten fährt mal ein Auto an mir vorbei, und in dem kleinen Ort, durch den ich gerade gehe, ist es auch ganz still. Irgendetwas ist doch heute anders! In Gedanken vergleiche ich die Stationen der Herbergen mit den Wochentagen - und tatsächlich, heute ist Sonntag. Umso dankbarer muss ich für das Brot sein, das ich gestern noch kaufen konnte.
    Am Ortsausgang, wo der Fluss wie ein Wasserfall über eine Schleuse rauscht, finde ich einen sehr schönen Rastplatz. Das ganze Land ist durchzogen von Flüssen und Bächen, und jedes Feld ist von kleinen Wasserläufen umrahmt. Sie sind Teil eines geschickt ausgearbeiteten, über Jahrhunderte erhaltenen Bewässerungssystems. Seit Frómista ist der Himmel bewölkt, es fallen sogar ein paar Regentropfen. In der angenehmen Kühle komme ich sehr gut voran.
    Aber auch dieser Weg hat seine Schwierigkeit. Obwohl über viele Kilometer gleichmäßig eben und breit, ist er mit scharfkantigen Schottersteinen ausgelegt. Inzwischen bin ich schon zehn Kilometer auf diesen scharfen Steinen gegangen. Meine Füße sind durch Medikamente geschädigt und schmerzen sowieso immer. Aber jetzt habe ich den Eindruck, als seien die Fußsohlen geschwollen. Wer um alles in der Welt, frage ich mich, hatte die Idee, einen solchen Weg mit Schottersteinen abzudecken?
    In Villalcázar de Sirga verlasse ich diesen steinigen Weg, um mir das ehemalige Kloster des Templerordens anzusehen. Vom 11. bis ins 13. Jahrhundert hinein beherrschte der Ritterorden der Templer weite Teile Spaniens und auch Südfrankreichs. Stumme Zeugen dieser einst kämpferischen Macht sind die festungsartig angelegten Klöster und Schlösser. Glaubt man der Überlieferung, so häuften die Templer in ihren Klöstern oder Burgen unablässig Kiste um Kiste von Gold und Edelsteinen an. Diese unermesslichen
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