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Mein Jahr als Mörder

Mein Jahr als Mörder

Titel: Mein Jahr als Mörder
Autoren: Unbekannter Autor
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Die Ereignisse, die daraufhin deuten, haben sich gehäuft. Am Montag kam eine eilige Anfrage vom Ministerium, was ich hier arbeite und was davon kriegswichtig. Warum war diese Anfrage so überstürzt? Wollte mich noch jemand kurz vor der Entscheidung retten? Am Mittwoch war der Oberlehrer hier und sagte, daß er für uns schwarz sehe. Seit Februar ist niemand begnadigt. Es sind auch Leute hingerichtet worden, die kriegswichtige Arbeiten während der Haft gemacht haben ...Es scheint, daß ein ganz scharfer Wind im Ministerium weht. Es wäre durchaus denkbar, dass Havemann doch gesondert behandelt würde. Frau Richter war da und sehr zuversichtlich, die Arbeiten ihres Mannes sind anerkannt worden. Sie hätte sofort und besonders leicht Sprecherlaubnis bekommen. Warum so leicht? Wußte der Beamte, daß es die letzte war? Am Freitag war Anneliese da, sie wollte nochmals eine genaue Aufzeichnung meiner Arbeitspläne für den Reichsforschungsrat, der die Dringlichkeit bestätigen sollte. Also haben alle eingereichten Sachen dem Ministerium nicht genügt! Nachdem man die Begnadigung nicht ausgesprochen hat, will man uns nun auch nicht länger am Leben lassen. Anneliese sah während eines Augenblicks mal so todtraurig aus, daß ich erschrak. Erschrecken ist vielleicht zu viel gesagt, ich erschrecke ja nicht mehr ... Gestern am Sonntag wurde ich in der Sache Schuhmann richterlich vernommen. Warum so eilig, sogar am Sonntag, bei dem sonst so lahmen Justizbetrieb? (Schuhmann, der doch ganz unschuldig ist, sitzt schon seit Januar in Haft.) Heute Nachmittag werde ich ja Bescheid wissen.
    Gegen halb zwei kommt der Vollstreckungsleiter, Staatsanwalt Kurth vom Volksgerichtshof, in Begleitung des Anstaltsarztes Dr. Müller in die Zelle und teilt mit, dass der Reichsminister der Justiz von dem Gnadenrecht keinen Gebrauch gemacht habe und das Urteil heute, 8. Mai, gegen 15 Uhr vollstreckt werde. Der Verurteilte verhielt sich während der Verkündung ruhig und gefaßt, steht auf dem vorgedruckten Protokoll, das Kurth später mit Datumstempel und Unterschrift versehen wird, nachdem er den Namen des Verurteilten und die Uhrzeiten eingetragen hat.
    Ein Beamter fesselt die Hände. Es muss verhindert werden, dass der Todeskandidat im letzten Moment sich etwas antut. Trotz der Fesseln dürfe er Briefe schreiben. Ob er geistlichen Beistand wünsche? Statt des vertrauten Anstaltspfarrers ist der Superintendent des Kirchenkreises Brandenburg zur Stelle. Der Scharfrichter Röttger inspiziert die Guillotine, die im Garagenschuppen des Zuchthauses aufgebaut ist. Ein letztes Gespräch, Georg lässt seiner Frau ausrichten, dass sie so stark und gefaßt sein werde, wie er selbst stark und gefaßt seinen letzten Gang gehe. Das Beil ist scharf, das Seil straff. Ein Beamter hängt ein schwarzes Tuch über das Fenstergitter der Garage.
    Ich sterbe einig mit den Menschen, schreibt er seiner Mutter, und meinem Gott. Für alle Liebe Dank, tausend Dank. Ich will schreiben bis zum Schluß. Helft Anneliese und den Kindern. Mein Schicksal, das 12 Jahre über mir drohte, erfüllt sich. Deshalb sterbe ich ganz ruhig... Es sterben viele noch, bis alles zu Ende. Ich möchte euch alle trösten.
    Vollstreckungsleiter Kurth und Anstaltsarzt Dr. Müller machen die Runde bei den für diesen Montag bestimmten Verurteilten und erholen sich bis 15 Uhr bei Gesprächen und Kaffee mit dem Zuchthausdirektor in dessen Büro. Der strenge Blick des Führers von der Wand. Ein Schnaps in Ehren.
    Liebe gute treue Anneliese. Nun ist es also so weit. In einer halben Stunde wird das Urteil vollstreckt. Ich bin ganz gefaßt, weil ich ja immer damit gerechnet habe. (Entschuldige die schlechte Schrift, ich schreibe mit Fesseln.) Könnte ich Dir nur das danken, könnte ich nur alle Liebe sagen, die ich immer für Dich empfunden habe. Auch während all der schweren Tage meiner Haft hast Du mir soviel an Güte und unendlicher Liebe gegeben, soviel menschliche Größe habe ich bei Dir empfunden. Bleibe so fest, wie Du immer warst. Du weißt ja, daß es kein Zufall war, sondern mein Schicksal. Ich habe nichts zu bereuen, nur den großen Schmerz, den einzigen, um den ich während der ganzen Zeit so getrauert habe, daß Du nun so alleine leben mußt. Ich kann Dir natürlich diesbezüglich für Deine Zukunft nicht raten, wenn sich Gelegenheit gibt, kannst Du vielleicht noch mal heiraten. Aber verstehe mich recht, so was Dir in Deinem Schmerz zu sagen, das kommt ja nur, weil alles so drängt. Die
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