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Mein ist dein Tod

Mein ist dein Tod

Titel: Mein ist dein Tod
Autoren: Volker Ferkau
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ein Lied singen konnte. Hier richtete der Klient bestimmte Gefühle, Erwartungen oder Wünsche auf seinen Therapeuten, die nicht so sehr dem Therapeuten als Person galten, sondern als Gefühle eigentlich aus früheren Beziehungserfahrungen des Klienten herrührten. Umgekehrt konnte auch der Therapeut Gefühle auf seinen Klienten übertragen. Nicht selten verliebten sich Klientinnen in ihren Therapeuten, manchmal war es auch umgekehrt. Davor musste sich ein seriöser Arzt hüten, da ein solcher Zustand eine Therapie unmöglich machte.
    Er wehrte sich nicht gegen sein Gefühl, das direkt aus dem Bauch kam und ihm fast Schmerzen bereitete.
    Es war der pure Wahnsinn und so abgehoben, dass es eher Stoff für eine Schmonzette als für das wirkliche Leben war.
    Er begehrte Lena Mora.
    Begehrte sie, wie er noch nie eine Frau begehrt hatte.
    So etwas war ihm in den fünfzehn Jahren seiner Arbeit noch nicht passiert.
    Er wusste von Kollegen, dass so etwas geschah. Öfter als man annahm oder wissen wollte. Und nicht wenige Kollegen hatten schließlich ihre Patientinnen geheiratet, um ihre Zulassung zu behalten.
    Dass Lena schön war, war trivial, vielmehr war es ihre Art zu reden, sich zu bewegen und ihr Augenaufschlag. Die pure Erotik. Und mehr. Vielleicht war es auch die Trauer, die sie schweigsam und wie eine dunkle Flagge vor sich hertrug, jenes dunkle Gefühl von Dingen, die sie erlebt hatte und noch tun würde, ein Schimmern, ähnlich einer Eingebung oder Wahrnehmung. Ihr Charisma war das einer Kindfrau, wobei sie mehr Frau als Kind war.
    Gewissermaßen war die Behandlung der Frau damit abgeschlossen, Übertragung hin oder her. Mit diesen Gefühlen konnte, nein durfte er die Behandlung nicht fortsetzen. Lena würde es schnell wahrnehmen, und wer wusste, was dann geschah?
    Auf der anderen Seite war sie die ideale Partnerin für ihn.
    Denn auch sie hasste, auch sie wollte töten.
    Einen solchen Menschen zu finden, war ein Glücksfall. Und das Glück musste man festhalten.
    Max beschloss, den nächsten Termin mit Lena wahrzunehmen.

6
     
    New Haven, 1961
     
    George W. Fielding wurde freundlich empfangen.
    Der Mann, schmalgewachsen, mit intelligenten Augen, hoher Stirn und braunen Haaren, stellte sich vor: »Mein Name ist Professor Stanley Milgram. Ich freue mich, dass Sie hier sind, um uns zu helfen. In 45 Minuten ist alles vorbei und Sie sind um 4 Dollar reicher.«
    Plus 50 Cent Fahrtgeld , dachte George.
    Er freute sich über den Zusatzverdienst und ließ sich alles erklären. Die Mauern der Yale Universität schüchterten ihn etwas ein, aber der freundliche Professor lockerte die Stimmung auf.
    »Sie nehmen an einem Lernexperiment teil, Mr Fielding. Das Ziel ist festzustellen, wie sich Strafe auf den Lehrerfolg auswirkt. Wir werden Sie bitten, einem Schüler, der in einem Nebenraum sitzt, über Mikrophon einfache Gedächtnisaufgaben zu stellen. Immer dann, wenn der Schüler einen Fehler macht, geben Sie ihm einen schwachen Stromschlag. Wir werden dabei langsam die Intensität steigern. Haben Sie das verstanden?«
    Fielding grinste. »Ist einfach.«
    » Ich möchte Ihnen den Schüler vorstellen.«
    Die Tür öffnete sich und ein junger Mann trat ein. Grau gekleidet, freundliches Äußeres, ein Ire mit fröhlicher Ausstrahl ung. Ein ganz netter Menschentyp, wie Fielding wusste, der sich gerne mit Iren umgab. »Ich freue mich auf unseren kleinen Versuch,« sagte der Schüler,  dann verabschiedet er sich.
    » Ich werde der Versuchsleiter sein, Mr Fielding. Es geht also alles mit rechten Dingen zu«, sagte Professor Milgram sachlich und freundlich. Er wirkte so seriös, wie man sich einen Wissenschaftler vorstellte.
    Fielding setzte sich an einen Tisch, vor sich ein Pad mit mehreren Knöpfen. Im rechten Winkel hinter ihm saß der Versuchsleiter an einer Maschine, die wichtig und sehr technisch aussah. Zeiger, viele Knöpfe, Schalthebel.
    Er las die erste Aufgabe von einem Zettel ab. Sie wurde richtig beantwortet. Er sah sich nach Milgram um, der mit unbeweglicher Mine aufmunternd nickte.
    Fielding las die zweite Frage ab. Milgra m sagte: »Falsch. Bitte drücken Sie bei 45 Volt. Und von da an immer einen Knopf höher. Bei 450 Volt beenden wir das Experiment.«
    Fielding machte sich keine Sorgen und drückte. Nebenan war Stille.
    Die nächste Aufgabe, wieder als Frage. Erneut eine falsche Antwort.
    Milgra m: »Fahren Sie fort.«
    Fielding drückte. 90 Volt. Nebenan Stöhnen, gut hörbar, aber nur leise.
    Fielding stellte die
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