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Mein irischer Held

Mein irischer Held

Titel: Mein irischer Held
Autoren: MICHELLE WILLINGHAM
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den Blick, um sich zu orientieren. Eine Ewigkeit voller Schmerzen schien zu vergehen, ehe er vor sich die Festung des normannischen Barons aufragen sah. Mit letzter Kraft erreichte er das Tor. Ein Wachmann trat ihm in den Weg. Ewan wusste nicht, was er sagen sollte. Vielleicht hatte Bevan sich heimlich Zutritt zur Burg verschafft. Da konnte er doch nicht einfach nach ihm fragen! „Ist Euer Herr …“, begann er auf Englisch.
    In diesem Moment sah er seinen Bruder quer über den Hof auf sich zukommen.
    Auch Bevan hatte ihn bemerkt und eilte auf ihn zu. „Ewan“, rief er entsetzt, „was ist geschehen?“
    „Marstowe – er hat Genevieve. Sein Lager ist auf der anderen Seite des Flusses.“
    „Nein!“, schrie Bevan.
    Doch Ewan hörte ihn nicht mehr. Er hatte das Bewusstsein verloren und rutschte seitlich vom Pferd. Sein Bruder konnte ihn gerade noch auffangen. Dann bemerkte Bevan die vielfältigen Wunden, die den Körper des jüngsten MacEgan bedeckten. Zorn und Schuldgefühle stiegen in ihm auf.
    Ich hätte besser auf ihn Acht geben müssen, fuhr es ihm durch den Kopf, und auf Genevieve. O Gott, verzeih mir, ich habe alles falsch gemacht.
    Suchend schaute er sich um. Er brauchte jemanden, der sich um Ewan und Brianna kümmerte, während er sich aufmachte, um Genevieve zu befreien. Sollte er Somerton bitten, ihm ein paar seiner Männer zur Verfügung zu stellen? Nein, er würde es allein schaffen. Er würde Marstowe beweisen, wer von ihnen der bessere Kämpfer war.
    In diesem Moment entdeckte er den Baron, der gerade aus der Tür trat. Er gab ihm mit einer Geste zu verstehen, dass er um seine Unterstützung bat. Sogleich eilte Somerton zu ihm. Nachdem er einen kurzen Blick auf Ewans Wunden geworfen hatte, schickte er einen der Männer nach der Heilerin. „Der Junge soll hier bleiben, bis er sich erholt hat“, sagte er in entschiedenem Ton.
    „Werdet Ihr auch für meine Tochter sorgen, solange ich fort bin?“, bat Bevan.
    „Selbstverständlich.“
    „Ich danke Euch.“ Erleichtert darüber, dass er keine weiteren Erklärungen zu geben brauchte und dass er zumindest zwei der Menschen, die ihm am meisten auf der Welt bedeuteten, in Sicherheit wusste, machte Bevan sich auf den Weg.
    Es waren die Schmerzen, die Ewan ins Bewusstsein zurückholten. Noch ehe er die Augen aufschlug, spürte er die Tränen, die ihm übers Gesicht rannen. Die Innenflächen seiner Hände, von denen Marstowes Männer ganze Hautstücke abgezogen hatten, brannten. Dann wurde der Schmerz noch schlimmer. Ewan schrie auf.
    „Ruhig, Junge“, sagte eine Stimme auf Englisch. „Ich muss die Wunde säubern.“
    „Dafür ist keine Zeit!“ Ewan versuchte sich aufzurichten. „Ich muss los, um ihm zu helfen.“
    „Später.“ Die fremde Frau, die sich eben noch um seine Hand gekümmert hatte, hielt ihm jetzt ein Gefäß mit einer bitteren Flüssigkeit an die Lippen. „Trinkt!“
    Er schluckte widerwillig. „Ich muss meinem Bruder helfen. Es geht um Leben und Tod.“
    Die Frau drückte ihn zurück in die Kissen. „Erst müssen Eure Wunden versorgt werden.“
    „Nein“, schrie Ewan, „nein, ich muss fort. Jetzt!“
    Die Tür wurde geöffnet, gleich darauf steckte Somerton den Kopf in die Kammer. „Gibt es Schwierigkeiten?“, fragte er die Heilerin.
    Ehe sie antworten konnte, rief Ewan: „Marstowe und seine Männer wollen meinen Bruder Bevan in eine Falle locken. Er ist allein unterwegs zum Lager seines Todfeindes. Er braucht Unterstützung. Sie werden ihn töten. Ich muss zu ihm.“
    „Allein?“
    Ewan starrte den vornehm gekleideten Fremden an. Erst jetzt dämmerte ihm, wen er da vor sich hatte. „Seid Ihr Lord Somerton? Dann flehe ich Euch an, mir und meinem Bruder zu helfen.“
    „Ihr wünscht, dass ich meine Leute in den Kampf gegen Sir Hugh Marstowe schicke? Wisst Ihr nicht, dass ich ebenfalls Normanne bin?“
    „Mein Bruder reitet in den sicheren Tod“, gab Ewan, der jetzt etwas ruhiger war, zurück. „Vielleicht wollt Ihr ja, dass er stirbt?“
    Somerton schüttelte den Kopf.
    „Dann müsst Ihr ihm mit Euren Männern zu Hilfe kommen. Ich werde Euch begleiten. Ich weiß, wo Marstowe sein Lager aufgeschlagen hat.“ Ewans Hände bluteten, aber er stieß die Heilerin zurück, sprang auf und schritt entschlossen zur Tür. Diesmal würde er seinen älteren Bruder nicht enttäuschen.
    Sobald er den Fluss überquert hatte, drosselte Bevan das Tempo. Immer wieder hielt er sein Pferd an, um sich in Ruhe umzuschauen. Als er die
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