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Mein Herz zwischen den Zeilen (German Edition)

Mein Herz zwischen den Zeilen (German Edition)

Titel: Mein Herz zwischen den Zeilen (German Edition)
Autoren: Jodi Picoult , Samantha van Leer
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meinte sie.
    Jules und ich haben keine Geheimnisse voreinander. Ich weiß, dass sie süchtig nach Soaps ist, und sie weiß, dass meine Mutter als Putzfrau arbeitet. Es gibt nur eins, was ich Jules nicht erzählt habe, und das ist auch der Grund, warum ich ihr letzte Woche aus dem Weg gegangen bin: Meine Buchauswahl ist mir peinlich.
    Ein Märchen, das für Grundschulkinder geschrieben wurde.
    Wenn ihr glaubt, es ist gesellschaftlicher Selbstmord, die Chef-Cheerleaderin buchstäblich zu Fall zu bringen, dann versucht mal, in einer Highschool vor aller Augen ein Kinderbuch zu lesen. Wenn ihr Dostojewski lest, seid ihr verschroben, aber intelligent. Wenn ihr Comics lest, seid ihr verschroben, aber hip. Wenn ihr ein Märchen lest, seid ihr eine Dumpfbacke und sonst nichts.
    Ich habe das Buch vor einem Monat in der Schulbücherei entdeckt, in der Mittagspause. Dort saß ich und verputzte heimlich ein Sandwich mit Erdnussbutter und Marshmallow-Creme, als mir auffiel, dass ein Buch verkehrt herum im Regal stand – als hätte es jemand achtlos hineingestopft. Weil ich Ms Winx, unserer Bibliothekarin, helfen wollte, stand ich auf, um es richtig herum hineinzustellen. Als ich es berührte, schoss ein gewaltiger elektrischer Schlag durch meine Fingerspitzen.
    Das Buch war zerfleddert und der Rücken locker – ein solches Exemplar hätte eigentlich längst beim alljährlichen Basar landen sollen, wo man für 10 Cent alte Schinken kaufen kann. Obwohl es ein illustriertes Märchenbuch ist, stand es im Regal mit Sachbüchern über den Ersten Weltkrieg. Und was besonders seltsam war, es hatte keinen Strichcode zum Ausleihen.
    »Ms Winx«, fragte ich, »haben Sie das hier schon mal gelesen?«
    »Oh, das ist schon ewig her«, antwortete sie. »Aber es ist etwas ganz Besonderes. Die Autorin hat dieses Exemplar selbst illustriert und es dann binden lassen.«
    »Das muss ja ein Vermögen wert sein!«
    »Gar nicht mal«, meinte Ms Winks. »Die Autorin ist eine bekannte Kriminalschriftstellerin. Sie hat es eher als Experiment betrachtet. Ein Prototyp, der es nie in die Buchhandlungen geschafft hat. Tatsächlich hat sie danach kein Buch mehr geschrieben. Da ich ihre anderen Bücher sehr schätze, musste ich dieses einfach mitnehmen, als ich es bei einem Ramschverkauf entdeckte. Und so wurde es für fünf Cent Eigentum der Schule.«
    Ich betrachtete den Einband – Mein Herz zwischen den Zeilen , von Jessamyn Jacobs.
    Noch am selben Tag lieh ich es aus, und in der Erdkundestunde legte ich es in mein Erdkundebuch und las es in einem durch. Es handelt von einem Prinzen namens Oliver, der auszieht, eine Prinzessin zu retten, die vom Bösewicht Rapscullio entführt worden ist. Allerdings begibt sich Oliver anders als die meisten Märchenprinzen ungern in Gefahr. Sein Vater ist in einer Schlacht gestorben und daher lautet sein Motto: Vorsicht ist besser als Nachsicht.
    Ich glaube, deshalb habe ich weitergelesen. Das Erste, was man über Oliver erfährt, ist, dass es nicht leicht für ihn war, ohne Vater aufzuwachsen. Das entspricht ganz und gar meiner Erfahrung. Mein Vater ist zwar nicht in einer Schlacht gestorben, aber er hat meine Mutter verlassen, als ich zehn Jahre alt war, und sich eine neue, bessere Familie gesucht. In jenem Jahr weinte sie jede Nacht. Ich war eine Einserschülerin – nicht weil ich die Schule so mochte, sondern weil ich meine Mutter nicht auch noch enttäuschen wollte. Wir mussten in ein kleineres Haus umziehen und meine Mutter fing an, hart zu arbeiten: Sie ging bei den Familien der Mädchen, die mich wie Abschaum behandelten, putzen.
    Wo wir schon mal beim Beichten sind: Oliver ist süßer als alle Jungs in meiner Schule. Zugegeben, er ist zweidimensional und nur eine Zeichnung. Aber zeigt bloß nicht mit dem Finger auf mich – findet ihr Wolverine aus den X-Men -Comics denn nicht auch scharf? Oliver scheint mich mit seinem pechschwarzen Haar und den hellen Augen aus dem Buch heraus direkt anzulächeln. Jedes normale Mädchen würde natürlich daraus schließen, dass es öfter unter Leute sollte. Aber ich habe nicht so viele Orte, wo ich hingehen könnte.
    Außerdem ist er klug. Er überwindet ein Hindernis nach dem anderen, aber nicht mit dem Schwert, sondern mit Köpfchen. Als er zum Beispiel von drei gruseligen, mannstollen Meerjungfrauen gefangen gehalten wird, verspricht er ihnen, jeder einen Heiratskandidaten zu besorgen, und bekommt dafür eine Kiste mit Schätzen – Krimskrams, der bei
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