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Mein glaeserner Bauch

Mein glaeserner Bauch

Titel: Mein glaeserner Bauch
Autoren: Monika Hey
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Paar scheitern.
    Familiengründungen ab fünfunddreißig gelten als späte Mutter- oder Vaterschaft, was bei Frauen vor allem mit dem Ablaufen der sogenannten biologischen Uhr zu tun hat. Zwar können Männer auch später noch Kinder zeugen, doch die Wahrscheinlichkeit, zum ersten Mal Vater zu werden, wird auch für Männer ab Mitte dreißig deutlich geringer. Die meisten spüren, dass sich das soziale Zeitfenster für die Gründung einer Familie langsam schließt.
    Karrieresucht und Egoismus werden in der öffentlichen Debatte gern als Ursachen für Kinderlosigkeit angenommen. Mit Begriffen wie Gebärstreik oder Zeugungsstreik wird der schwarze Peter zwischen Frauen und Männern hin- und hergeschoben. Und wenn schließlich geargwöhnt wird, dass das »deutsche Volk« bald ausstirbt, ist der Diskurs endgültig am Stammtisch gelandet.
    Richtig ist, dass die Geburtenziffer unterhalb des sogenannten Bestandhaltungsniveaus liegt, also weniger Menschen geboren werden als sterben. Das gilt nicht nur für Deutschland, sondern ist in fast allen Industriestaaten so. Deutschland gehört allerdings zu den Ländern mit der weltweit geringsten Geburtenrate.
    Entgegen herkömmlicher Meinung ist in den letzten Jahrzehnten das Problem nicht ständig gewachsen, sondern das Phänomen nur bevölkerungspolitisch stärker in den Blick geraten. Statistisch ist die Geburtenziffer in Deutschland seit Anfang der siebziger Jahre mit 1,2 bis 1,4 Kindern pro Frau etwa gleich geblieben, hat sich also, nach einem massiven Geburtenrückgang in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts – und dem sogenannten Babyboom Ende der fünfziger bis Mitte der sechziger Jahre –, seit den siebziger Jahren weitgehend auf diesem Niveau stabilisiert.
    Hinter dieser Statistik verbergen sich die ganz unterschiedlichen Leben von Frauen und Männern, die ein, zwei oder mehr Kinder haben, die vielleicht aber auch kinderlos sind. Ob Menschen Kinder wollen oder bekommen, hängt von vielfältigen Faktoren ab. Auch wenn diese Faktoren oft individuell genannt werden, lassen sich gewisse Gemeinsamkeiten ausmachen. So haben Wissenschaftler nachgewiesen, dass der größte Teil der kinderlosen Frauen Akademikerinnen sind, während Kinderlosigkeit bei Männern eher in der Gruppe mit niedrigen Bildungsabschlüssen vorkommt. 5 Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes hatte von den Frauen der Jahrgänge 1933 bis 1968 in Westdeutschland schon jede vierte Frau mit höherer Bildung keine Kinder. 6
    Der Entscheidung, ein Kind zu bekommen, geht vor allem seit der breiten Verfügbarkeit von Verhütungsmitteln oft ein komplexer Abwägungsprozess voraus. Auch ich war froh, ungehindert Zugang zu Verhütungsmitteln zu haben, solange ich sie brauchte. Ich arbeitete gern in meinem neuen Beruf beim Fernsehen und ich arbeitete viel. Ganz besonders liebte ich neue Herausforderungen, an denen ich mich messen konnte und an denen ich wuchs. Und ich verhütete sorgfältig. War lange gewollt kinderlos. Das Filmemachen war für mich die Erfüllung eines Kindheitstraums, der in Schwarz-Weiß begonnen hatte und der mein Leben jetzt so bunt machte, wie ich es selbst nie für möglich gehalten hätte.
    Natürlich gab es in meinem Freundeskreis auch Frauen, die Kinder hatten. Manchmal löste das Miterleben der Mutter-Kind-Symbiose bei mir Neid aus, manchmal Langeweile, aber meistens musste ich einfach feststellen, dass ihr Leben grundlegend anders war als meins. Oft gewann ich den Eindruck, dass Menschen mit Kindern sich sowieso lieber mit anderen Eltern und deren Kindern treffen, und zog mich dann nach und nach von diesen Freundinnen zurück.
    Doch es gab auch Momente, in denen ich an meiner gewollten Kinderlosigkeit zweifelte. Einmal saß ich erschöpft im Ferienflieger, umgeben von Familien mit kleinen Kindern, und spürte unerwartet ganz unbekannte Gefühle in mir. Als sei ich völlig allein auf der Welt, gehörte nicht wirklich dazu, sei Teil einer anderen Gattung, oder das Leben ein Film und ich nur Zuschauerin. Mit einem Mal schämte ich mich fast ein wenig dafür, kinderlos zu sein. Als sei das der sichtbare Beweis dafür, dass ich etwas falsch machte in meinem Leben. Natürlich hatte es den einen oder anderen Mann gegeben, der mein Leben noch ein wenig aufregender gemacht hatte, aber die Liebe wollte nicht wirklich gelingen. Der Richtige, wie meine Großmutter ihn immer genannt hatte, war noch nicht gekommen.
    Je quengeliger dann allerdings die Kinder im Flugzeug um mich herum wurden,
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