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Mein glaeserner Bauch

Mein glaeserner Bauch

Titel: Mein glaeserner Bauch
Autoren: Monika Hey
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den Monitor, während ihre rechte Hand den Schallkopf mit leichtem Druck über meinen Unterleib gleiten ließ. Mehrmals hielt sie kurz inne und markierte die Position auf ihrem Computer. Eine Routineuntersuchung während meiner Mittagspause. Ich hatte die Redaktionssekretärin informiert, dass es etwas später werden könnte, bevor ich ging. Jetzt freute ich mich darauf, Klaus das neue Ultraschallbild zu zeigen.
    Es war meine erste Schwangerschaft, und ich sonnte mich in meinem Glück. Im Grunde hatte ich selbst schon nicht mehr daran geglaubt, hatte die Hoffnung längst aufgegeben, in meinem Alter noch Mutter zu werden. Jetzt war ich schwanger und war bezaubert von der Vorstellung, die Welt noch einmal mit Kinderaugen sehen zu dürfen. Spielen wichtiger zu nehmen als Arbeit. Dieses Kind zu begleiten dabei, wie es seinen Platz im Leben findet.
    Obwohl ich schon in der zwölften Woche war, hatte sich erst vor Kurzem herausgestellt, dass ich ein Kind bekomme. Die Gynäkologin hatte die Schwangerschaft nicht gleich entdeckt und bei den ersten Symptomen, mit denen ich sie aufgesucht hatte, erst mal ein Präparat zur Behandlung von Mastopathie verschrieben. Gegen die Schmerzen in meiner Brust. Zusätzlich hatte sie mich an einen Kollegen zur Mammographie überwiesen.
    Auch bei mir gab es einen blinden Fleck genau dort, wo ich jahrelang vergeblich hingeschaut hatte. Darum konnte ich wahrscheinlich die untrüglichen Zeichen für eine Schwangerschaft selbst nicht deuten. Das exklusive Duschgel zu meinem sechsundvierzigsten Geburtstag zum Beispiel. Ich hatte mich gefreut über das edle Geschenk, bis ich es zum ersten Mal benutzte. Schnell spülte ich das Gel wieder ab, weil der süßliche Duft bei mir einen Würgreiz ausgelöst hatte.
    Auch die Rasiercreme von Klaus roch plötzlich unangenehm. Und zu meiner Mutter hielt ich mich auf Abstand, um ihr nicht sagen zu müssen, dass mir von ihrem neuen Parfüm übel wurde. Sie begleitete mich gerade für einige Tage nach London, wo ich für einen Film recherchierte. Trotz ihres Altersvorsprungs und ihrer Knieprobleme hatte sie während der Reise deutlich mehr Energie als ich. Mein Magen rebellierte jetzt öfter als sonst, und ich war extrem geruchsempfindlich. Doch da mein Zyklus nicht zum ersten Mal unregelmäßig war, schenkte ich auch diesem Symptom keine Beachtung. Ich war in der siebten Woche schwanger – und hatte keine Ahnung.
    Eine Einladung nach der Rückkehr aus England hätte als schönes Frühlingsfest in Erinnerung bleiben können. Mit anregenden Gespräche und einem wunderbaren Spargelessen, das Robert und Christa wie jedes Jahr im Mai für ihre Freunde ausrichteten. Dieses Mal endete der Abend für mich in Krämpfen über unsere Kloschüssel gebeugt. Ich hatte kaum Alkohol getrunken und verstand nicht, wieso mir so schlecht war. Vielleicht die Erdbeeren? Am nächsten Tag las ich im Beipackzettel des Medikaments, das die Ärztin mir gegen die Schmerzen in der Brust verordnet hatte, dass es Übelkeit verursachen kann. Ich setzte es kurzerhand ab.
    Am Montag nach dem Spargelessen war der Termin für die Mammographie. Ich hasse Röntgenuntersuchungen, aber ich machte mir Sorgen und wollte die Schmerzen abklären lassen. Das Mittel gegen Mastopathie war nach fast drei Wochen ohne spürbare Wirkung geblieben, die Schmerzen in der Brust unverändert. Obwohl der Mammographiebefund negativ war, wie die Ärztin mir bei meinem nächsten Besuch bestätigte, war ich beunruhigt.
    Die Übelkeit muss sie stutzig gemacht haben, denn ohne mir ihre Vermutung vorschnell mitzuteilen, entschied sie sich für einen Vaginalultraschall. Dabei wird ein stabförmiger Schallkopf, der aus hygienischen Gründen mit einem Kondom überzogen und mit etwas Gleitgel bestrichen wird, vorsichtig in die Scheide eingeführt. Ich kannte das schon als Standarduntersuchung in der Gynäkologie. Und ahnte immer noch nichts.
    »Sie sind schwanger, so was habe ich mir schon gedacht«, sagte sie, noch während ich auf der Untersuchungsliege lag. »Ende der neunten Woche.«
    Die Nachricht kam mir so unwirklich vor wie der künstliche weiße Rosenbusch in ihrem Praxisraum. Ich brauchte einen Moment, um mich in einer plötzlich radikal veränderten Wirklichkeit zurechtzufinden, mich zu spüren in diesem weißen, chromblitzenden Raum, der viel zu klein und klinisch schien für meine unbändige Freude.
    Die Ärztin drehte den Monitor in meine Richtung und ließ mich anschauen, wie das kleine Herz schlug. Ich war
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