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Mehr Stadtgeschichten

Mehr Stadtgeschichten

Titel: Mehr Stadtgeschichten
Autoren: Armistead Maupin
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Supermärkte und rund um die Uhr geöffnete Junk-food-Restaurants, wo sich der Ertrag zwar in Grenzen hielt, die Befriedigung aber fast an Ort und Stelle zu haben war. Er hatte keine Zeit zu verlieren, sagte er sich. Die Wechseljahre standen vor der Tür.
    Falls er auf etwas Dauerhaftes aus war- und manchmal hatte er dieses Gefühl –, blieb er jedenfalls mit keiner Frau lang genug zusammen, um dieses Bedürfnis erkennen zu lassen. Seine Logik führte ihn im Kreis, war aber unschlagbar: Die Art Frau, die er haben wollte, konnte an der Art Mann, zu der er sich entwickelt hatte, keinesfalls interessiert sein.
    Sein gesamtes Dasein stand unter der Fuchtel seiner Libido.
    Sie hatte sogar die Entscheidung für seine jetzige Wohnung bestimmt, für dieses zugige und beengte Häuschen auf dem Dach der Barbary Lane 28. Er war zu dem Schluß gekommen, daß Frauen auf die wunderbare Rundumsicht und die Putzigkeit der Wohnung abfahren würden. Das Häuschen würde zu seinem Vorteil als architektonisches Aphrodisiakum wirken.
    »Und du willst es wirklich haben?« hatte Mrs. Madrigal ihn damals gefragt, als er sie um einen Wohnungstausch ersucht hatte. (Zu der Zeit hatte er im zweiten Stock gewohnt, gleich gegenüber von Mary Ann Singleton, die furchtbar sexy, aber auch furchtbar zugeknöpft war.) Brian hatte damals ohne zu zögern ja gesagt.
    Er nahm an, daß die Ungläubigkeit der Vermieterin mit dem Vormieter der Wohnung zu tun hatte, einem etwa vierzigjährigen Vitaminpräparatevertreter namens Norman Neal Williams.
    Doch von Williams wußte er nur, daß der im letzten Dezember spurlos verschwunden war.
     
    Ein heftiger Wind schüttelte das Häuschen durch und verhalf Brian zu einem leicht morbiden Déjà-vu-Gefühl.
    Fünf auf der Richter-Skala, dachte er.
    Er wußte inzwischen, was das hieß, denn er hatte in der Woche davor sein erstes Erdbeben gespürt. Ein tiefes, gespenstisches Grollen hatte ihn um zwei Uhr nachts geweckt, seine Fenster klirren lassen und ihn augenblicklich in ein verängstigtes Urwesen verwandelt.
    Aber jetzt war es bloß der Wind, und das Knirschen von »The Big One« würde sich im zweiten Stock genauso schauerlich anhören wie oben auf dem Dach. Jedenfalls sagte er sich das, seit er in dem Häuschen wohnte.
    Die Türklingel schreckte ihn auf. Er zog nur ein Sweatshirt über und ging in Boxershorts an die Tür. Es war Mary Ann Singleton.
    »Brian, ich … Entschuldige bitte, daß ich dich so spät noch störe.« Seine Unterhose hatte sie offensichtlich durcheinandergebracht.
    »Ist schon okay.«
    »Du bist nicht angezogen. Ich werd jemand anderen fragen.«
    »Kein Problem. Ich kann mir ja schnell ’ne Hose anziehen.«
    »Wirklich, Brian, es ist nicht so …«
    »Stop! Hab ich gesagt, daß ich dir helfe, oder nicht?«
    Sein Ton brachte sie auf. Aber sie legte dennoch ein schwaches Lächeln hin. »Michael und ich fahren nach Mexiko, und ich hab da einen Koffer, den ich nicht …«
    »Warte mal eben.«
    Brian zog ein Paar Levi’s an und ging vor Mary Ann die Treppe zu ihrer Wohnung hinunter. Er hob den Koffer, den sie brauchte, vom obersten Regalbrett in ihrem Wandschrank. »Danke«, sagte sie lächelnd. »Jetzt komm ich wieder allein zurecht.«
    Sein Blick durchbohrte sie fast. »Bist du sicher?«
    »Ja, Brian.« Ihre Stimme hatte einen festen und leicht gouvernantenhaften Klang. Sie wußte, worauf er angespielt hatte, und sie sagte nein. Wieder einmal.
    Oben auf dem Dach stieg Brian aus den Levi’s und griff nach dem Fernglas, das er auf dem Regal neben dem Bett stehen hatte. Er stellte sich vor das Südfenster des Häuschens und verfluchte die unzugängliche Miss Singleton, während er seinen Blick suchend über die mitternächtliche Stadt gleiten ließ.
    Zuerst das grün-schwarze Mysterium Lafayette Park, dann die als ultramoderne St. Mary’s Cathedral daherkommende Maytag-Rührmaschine, dann die amerikanische Flagge auf dem Mark Hopkins in ihrer obszönen Übergröße, die vor dem tintenblauen Himmel wild hin und her schlug, als stammte sie aus dem Acid-Trip eines Anhängers der John Birch Society.
    Das war alles nur Vorspiel.
    Sein eigentliches Begehr galt einem Gebäude, das er Superman Building nannte.

Vater des Jahres
    Zum erstenmal seit Wochen stand DeDe vor Beauchamp auf.
    Sie begrüßte ihren Gatten mit einem Kuß und einem Croissant, als er um Viertel vor sieben in die Küche wankte. Für die Tageszeit war sie ziemlich aufgekratzt – übertrieben aufgekratzt sogar –, so daß
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