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Mehr Stadtgeschichten

Mehr Stadtgeschichten

Titel: Mehr Stadtgeschichten
Autoren: Armistead Maupin
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zu verlieren?«
    »Ich glaube nicht, daß es besonders schicklich ist, wenn eine Frau in meinem …«
    »Schicklich? Mutter, hast du Mabel Sussman in letzter Zeit mal gesehen? Ihr Gesicht ist glatt wie ein Babypopo! Shugie hat erzählt, daß Mabel in Genf diesen wundervollen Menschen ausfindig gemacht hat, der nur mit Hypnose arbeitet!«
    Frannie schaute ungläubig drein. »Irgendwas Chirurgisches muß er doch gemacht haben.«
    »Aber nein. Alles nur Hypnose … Jedenfalls schwort Shugie das auf einen ganzen Stapel Town and Country. « DeDe kicherte boshaft. »Stell dir vor, eines Tages klatscht jemand in die Hände oder sagt das Geheimwort oder stellt sonst was an, und die ganze Schose fällt in sich zusammen wie ein Soufflé! Wärst du da nicht platt?« Frannie konnte nicht anders – sie mußte lachen.
    Und später am Nachmittag fuhr sie mit einem merkwürdig heimlichtuerischen Gefühl in die Stadt, um sich bei F.A.O. Schwarz nach einem Steiff-Tier für die Zwillinge umzusehen.
    Sie fühlte sich inzwischen wohler und spielte mit dem Gedanken, daß DeDe vielleicht doch recht hatte. Vielleicht hatte sie tatsächlich zu lange Trübsal geblasen; länger, als es gesund war; länger, als selbst Edgar es gewollt hätte.
    Als Frannie den Laden verließ, sah sie im Schaufenster von Mark Cross ihr Spiegelbild. Sie blieb lange genug stehen, um die Haut unterhalb ihrer Ohren zu packen und sie über die Wangenknochen straff nach hinten zu ziehen. »Also gut«, sagte sie laut. »Also gut! «

Zwei verwandte Seelen
    Mona Ramseys Leben war – in ihren eigenen Worten – restlos beschissen.
    Sie war bei Halcyon Communications Werbetexterin mit fünfundzwanzigtausend Dollar im Jahr gewesen, doch nach einer kurzen, aber befriedigenden feministischen Tirade gegen den Chef von Adorable Pantyhose, den größten Kunden der Agentur, hatte man sie dieser Position enthoben.
    Die anschließende Zeit der Muße, die sie im gemeinsamen Haushalt mit Michael Tolliver verbracht hatte, war bei oberflächlicher Betrachtung angenehm, auf längere Sicht jedoch gefühlsmäßig unbefriedigend gewesen. Sie sehnte sich nach etwas Dauerhaftem. Zumindest hatte sie das so gesehen, als sie aus der Barbary Lane 28 ausgezogen war, um in D’orothea Wilsons elegantem viktorianischen Haus in Pacific Heights Wohnung zu nehmen.
    D’orothea war Model bei Halcyon, vielleicht das bestbezahlte schwarze Model der Westküste. Sie und Mona waren in New York einmal liiert gewesen. Das Arrangement, das die beiden für San Francisco getroffen hatten, war allerdings ungetrübt von jeder Leidenschaft, blieb ein blutleerer Pakt zur Linderung der Einsamkeit, die die beiden Frauen immer stärker bedrängte.
    Es hatte nicht funktioniert.
    Zum einen konnte Mona D’orothea nie ganz verzeihen, daß sie eigentlich doch nicht schwarz war. (Ihre Hautfarbe war, wie Mona schließlich erfuhr, durch pigmentverändernde Tabletten und ultraviolette Bestrahlungen hervorgerufen – ein Trick, der das Model vor einer beruflichen Randexistenz gerettet hatte.) Zum anderen hatte sich Mona, wenn auch mißmutig, mit der Tatsache herumschlagen müssen, daß ihr das Zusammensein mit Männern fehlte.
    »Als Heterofrau bin ich nicht mal Durchschnitt«, hatte sie Michael bei ihrer Rückkehr in das gemeinsame Nest Barbary Lane erklärt, »aber als Lesbe bin ich unter aller Sau.«
    Michael hatte volles Verständnis gezeigt. »Das hätte ich dir auch so sagen können, Babycakes!«
     
    Ihre letzte Quaalude begann gerade zu wirken, als Mona die wackelige Holztreppe hochstieg, über die man in die Barbary Lane kam. Sie war den ganzen Abend bei der Cosmic Light Fellowship gewesen, doch ihre Stimmung war schwärzer als je zuvor. Sie hatte einfach ihre Mitte nicht mehr.
    Was war mit ihr geschehen? Warum hing sie immer mehr durch? Wann hatte sie zum erstenmal aus dem dunklen Jammertal ihres Lebens nach oben geblickt und festgestellt, daß dessen Hänge unüberwindlich waren?
    Und warum hatte sie so wenig Quaaludes gekauft?
    Mona schleppte sich durch den Blättercanyon der Barbary Lane, ging durch den Vorgarten von Nummer 28 und trat in das mit braunen Schindeln verkleidete Haus. Sie klingelte bei Mrs. Madrigal, weil sie hoffte, daß ein Glas Sherry und ein paar sanfte Worte von der Vermieterin ihren Durchhänger verscheuchen könnten.
    Mrs. Madrigal, ging Mona durch den Kopf, war eine Verbündete der besonderen Art. Und Mona war nicht einfach eines von den »Kindern« der Vermieterin. Mona war die einzige
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