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Meerestochter

Meerestochter

Titel: Meerestochter
Autoren: Serena David
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an der Aluminium-Lasche, dass es zischte.
    «Ich formuliere solche Dinge natürlich ein wenig anders», fuhr sie fort. «Ich bin kein Mann. Ich würde sagen: Ein Mädchen, das sich nicht küssen lässt …»
    «Also geküsst habe ich sie!»
    «Adrian, du weißt genau, was ich meine.» Seine Tante wand sich ein wenig. «Die Direktheit der modernen Jugend in diesen Dingen …»
    «… ist dir zu seemännisch-schlicht.»
    «Mach dich bitte nicht über mich lustig, Adrian. Ich kann auch dieses Wort mit den Vögeln sagen, ich will nur nicht.»
    Er hob die Brauen und leerte die Dose mit einem Zug.
    «Jedenfalls, wenn sie dich erst ihre Wohnung streichen lässt, ehe sie bereit ist, sich» – sie betonte das Wort – «‹küssen› zu lassen, will sie dich in Wirklichkeit gar nicht ‹küssen›, sondern nur …»
    «… ihre Wohnung gestrichen bekommen», vollendete Adrian gemeinsam mit ihr den Satz. Alleine fuhr er fort: «Von jemandem, der blöd genug ist, sich Hoffnungen zu machen. Ich weiß.»
    Seine Tante lächelte. «So weise? Du scheinst ja kuriert.»
    Er wandte den Kopf ab, damit sie die aufsteigende Röte nicht sah.
    «Wieder einmal.» Sie ging zurück zu dem blaugestrichenen Holztisch in der Mitte des Zimmers, wo ein angefangenes Aquarell lag. Sie betrachtete es eine Weile, dann beschloss sie, für heute Schluss zu machen, und trug die Pinsel zur Spüle hinüber.
    Adrian, der wieder zu seiner Tasse gegriffen hatte und jetzt brav auf den Tee blies, stand auf und schaute ihr über die Schulter, als sie zurückkam, um die Farben trocken zu pusten. Es waren überwiegend Grüntöne, die zu einer Ansicht ihres Gartens zusammenflossen. «Gefällt es dir nicht?», fragte er.
    «Das Licht ist nicht gut.» Sie ging noch einmal zum Spülbecken.
    Adrian schaute ihr zu. «Immerhin hat sie mich auf die Wange geküsst.»
    Seine Tante antwortete nicht.
    «Und morgen will sie mit mir spazieren gehen.»
    «Was braucht sie noch?» Seine Tante drehte sich um und lehnte sich an den Spülstein. Mit geneigtem Kopf betrachtete sie ihn.
    «Nichts, wieso?» Adrian tat unschuldig. Aber unter dem Blick seiner Tante brachte er es nicht fertig, weiter zu lügen. «Also, sie sucht ein paar Antiquitäten, sagt sie, als Kontrast. Weil doch alles jetzt renoviert ist und so sauber aussieht. Ist ein guter Gedanke, finde ich», verteidigte er Maud. «Und ich dachte, da wir hier doch eh alles auflösen …»
    Seine Tante drehte ihm den Rücken zu und drehte den Wasserhahn auf. Hörbar rumorte sie im Spülbecken herum.
    «Ist doch gut, wenn wir die Sachen loswerden.» Adrian sprach mit ihrem Rücken. «Oder?»
    Als sie nicht antwortete, ging er zurück zu seinem Stuhl. Das war heute wirklich nicht sein Tag. Aus London kein Anruf, Maud beschimpfte ihn als Lüstling, seine Tante nannte ihn mehr oder weniger einen Idioten, und dann dieses Mädchen eben … Jetzt, zurück in der vertrauten Küche, kam ihm die Begegnung beinahe wie ein Traum vor. War das alles überhaupt passiert? Fischereigenossenschaft Süd! Und rennt dann wie ein Wiesel davon. Vermutlich war sie auf Drogen gewesen. Wie die meisten dieser Touristinnen unten am Strand. Mit denen wollte er doch im Grunde ohnehin nichts mehr zu tun haben.
    «Tante, darf ich dich etwas fragen?», begann er langsam. «Über Frauen?»
    Sie seufzte. «Ich würde es vorziehen, über Maud kein Wort mehr zu verlieren, Adrian. Das Thema ärgert mich einfach zu sehr, deinetwegen.»
    Er überlegte, ob er den Irrtum aufklären sollte, ließ es dann aber bleiben. Als er aufstand, drehte sie sich um.
    «Willst du nochmal weg?»
    «Ich gehe in mein Zimmer», erwiderte er. «Arbeiten.»
    «Wolltest du nicht in London anrufen?»
    Sie war erleichtert, als er noch einmal stehen blieb. Lieber nervte sie ihn, als dass er ohne Abschied die Tür hinter sich zuschmiss. Als kleiner Junge hatte er das öfter getan. Aber da war auch sie jünger gewesen. Jetzt vertrug sie Streit immer weniger. Sie gab es nicht gerne zu, aber es tat ihr weh.
    «Nein,
die
wollten
mich
anrufen. Hat jemand angerufen?»
    Sie schüttelte den Kopf.
    Er zog sein Handy heraus und schaute sicherheitshalber noch einmal nach. Dabei wusste er es schon. «Hier auch nicht. Kein einziger verdammter Anruf.»
    «Adrian!», entfuhr es ihr unwillkürlich. Sie bereute es sofort. Seine Enttäuschung war so deutlich. «Du wirst sehen …», begann sie sanft.
    Er ließ sie nicht aussprechen. «Ich geh dann mal …»
    Kopfschüttelnd schaute sie ihm nach. Immer
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