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Meerestochter

Meerestochter

Titel: Meerestochter
Autoren: Serena David
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noch ehe die Sonne aufging. Das hier war nicht, was sie wollte. Würde sie ihn heute noch verführen, wäre er nicht anders als die anderen. Er würde sie vergessen, und sie würde ihn vergessen. Ondra ließ ihre Arme sinken, ließ zu, dass er einen Schritt zurücktrat und sich mit der flachen Hand über das Gesicht fuhr. Verdammt. Verdammter Vollmond.
    Ondra zog sich zurück in den Schatten eines Baumes.
    «Wer … wer bist du?» Adrian war immer noch außer Atem.
Was war da gerade mit ihm geschehen?
Ganz verschwommen sah er Augen, Brüste, geöffnete Lippen und schimpfte sich innerlich einen Psychopathen. Da stand ein nacktes Mädchen im Wald, und schon drehte er durch. Ganz verängstigt sah sie aus, so hilflos und verloren. Und er hatte ihr noch nicht einmal seine Jacke gegeben.
    «Wie heißt du?»
    Ondra schluckte. Richtig, Menschen hatten Namen, solche, deren Schallwellen nicht wie ein Geräusch des Meeres klangen. Und sie tauschten sie miteinander aus, verschenkten sie wie Muscheln. Sie versuchte fieberhaft, sich an die Wörter zu erinnern, die die Menschen auf den Festen einander zugeworfen hatten. Aber nur Max mit seinen Immobilien wollte ihr einfallen in der Eile. Ihr Blick irrte umher.
    «Alles in Ordnung?», hörte sie ihn wieder fragen und hätte sich am liebsten geohrfeigt.
    Schiffe!, fiel es ihr dann ein. Schiffe trugen fast immer die Namen von Frauen. Das hatte Papa ihr oft genug erklärt. Jetzt brauchte sie sich nur an das letzte Schiff zu erinnern, das ihr begegnet war. Sie öffnete den Mund.
    «Ich …», begann sie.
    «Ja?», sagte er und kam sich wie ein Idiot vor.
    «Ich heiße …», sie zögerte. Doch dann holte sie tief Luft und sagte in einem schnellen Atemzug: «Fischereigenossenschaft Süd.»
    «Was?», entfuhr es ihm.
    Er sah so verdattert aus, dass Ondra die Tränen in die Augen schossen. Fehler, ganz offensichtlich! Ach, verdammt! Verdammter Vollmond! Verdammtes Meerjungfrausein! Zu nichts war es gut, zu rein gar nichts. Für alles war man damit zu blöde. Es war ja beinahe lächerlich!
    Sie wirbelte herum und rannte in Richtung Strand, ignorierte seine Rufe und warf sich, sobald sie das Wasser um ihre Fesseln spürte, mit einem Schrei in die Brandung.
    Sie verwandelte sich, kaum dass sie tauchte. Kein Durcheinander, kein Schmerz diesmal. Nur die Verwirrung in ihrem Kopf und das Gefühl tiefer Scham, das blieb, egal wie schnell sie den heilenden, kühlenden Tiefen zustrebte, in denen sie am liebsten für immer verschwunden wäre.
    Adrian stand mit hängenden Armen da. Eben war sie noch hier gewesen, und im nächsten Augenblick so weit fort. Von einer Sekunde auf die andere. Er hätte sich ohrfeigen können dafür. Das schönste Mädchen, das er je gesehen hatte! Wenn sie auch einen Knall zu haben schien. Andererseits, wer hatte das nicht?
    ‹Adrian›, ermahnte er sich selbst. ‹Wenn dir je wieder eine atemberaubende Schönheit gegenübersteht und behauptet, ihr Name sei Fischereigenossenschaft, dann antwortest du gefälligst: Oh, toll. So wollte ich meine Katze nennen.›
    Eine Weile starrte er noch in die Dunkelheit. Dann gab er es auf. Schweren Schrittes schlurfte er zurück zu seinem Auto. Die zweite Niederlage für heute. Irgendwie schien er für den Umgang mit Frauen kein Talent zu besitzen.

[zur Inhaltsübersicht]
4. Kapitel
    «Na?», fragte seine Tante, als er in die Küche kam. Sie musste nur einen Blick auf sein Gesicht werfen, um zu wissen, dass etwas nicht stimmte. Nein, sie hatte es schon an seinem Gang erkannt. So gut kannte sie ihn. Seit dem Tod seiner Eltern hatte sie sich um ihn gekümmert. Während der Zeit auf dem Internat hatte er jede Ferien bei ihr in dem kleinen Cottage verbracht. Sie wusste, wann es ihm gut- und wann es ihm schlechtging. Und wann er litt wie ein Hund. Ohne ein Wort nahm sie den Wasserkessel von dem altmodischen gusseisernen Herd und goss ihm in einer ihrer Rosentassen Tee auf.
    Er dankte ihr geistesabwesend, nahm einen Schluck und verbrannte sich die Zunge.
    «Wieder Ärger mit Maud?», wagte sie zu fragen.
    Er schnappte nach Luft. «Hast du einen Eiswürfel da?»
    Sie schüttelte den Kopf, ging aber zum Kühlschrank, dem einzig modernen Gerät in der kleinen Küche, und kam mit einer Dose Cola zurück, die verheißungsvoll beschlagen war. «Du weißt, was dein Onkel sagen würde, wenn er noch am Leben wäre?», meinte sie. «Es wäre etwas sehr Drastisches gewesen, seemännisch-schlicht, wie er selber.»
    Adrian verdrehte die Augen und zog
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