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Meeresrauschen

Meeresrauschen

Titel: Meeresrauschen
Autoren: Patricia Schröder
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nicht ausgerechnet während meiner Abwesenheit
zurückkehren. Zumindest hoffte ich das.
    Ich schnappte mir mein Regenzeug und lief die Treppe hinunter.
In der Küche fand ich eine Schale mit Karamellpudding,
der mit frischem Obst garniert war, und eine Nachricht
von meiner Großtante.
    Guten Morgen, mein Engel,
ich bin beim Zahnarzt und danach muss ich noch bei einer
Bekannten in St Martin eine Couchgarnitur ausmessen, die
neue Bezüge bekommen soll.
Ich schätze, dass ich mich dort eine Weile aufhalten werde.
Lass dir vom Regen nicht die Laune vermiesen!
Bis später!
Tante Grace
    Na toll! Cyrils Sterne standen anscheinend wirklich gut. Denn
heute hätte ich mich den Ermahnungen meiner Großtante,
mir doch lieber einen sonnigeren Tag für einen Fahrradausflug
an den Strand auszusuchen, nur zu gerne gefügt.

    Wie ich befürchtet hatte, war die Cobo Bay menschenleer. Die
mittlerweile dunkelgrauen Wolken über mir hingen so tief, als
wollten sie mit dem ebenso düsteren Meer verschmelzen. Wellen
türmten sich auf, klatschten gegen die Klippen und eroberten
rauschend und sprudelnd den Strand. Möwen kreischten
und flogen hektisch auf und nieder, und ich verfluchte mich
für meine Dummheit, Cyrils Ruf gefolgt und tatsächlich hergekommen
zu sein.
    Ich stellte das Rad an der Bootseinfahrt ab und ließ meinen
Blick über den Strand, die Dünenböschung und die Befestigungsmauer
gleiten.
    »Ich werde ganz sicher nicht ewig auf dich warten«, murmelte
ich, während ich langsam über den Strand ging, und war
bereits im Begriff, wieder umzukehren, als ich ihn bemerkte.
    Cyril musste in einer der ausgewaschenen Steinkuhlen auf
dem Felsgrat gehockt haben, der links von mir ins Meer hineinragte,
denn plötzlich kam er von dort aus mit hastigen
Schritten auf mich zugelaufen.
    Bei seinem Anblick zog sich mir der Magen zusammen.
Mein Instinkt signalisierte mir ganz klar, dass ich auf der Stelle
umkehren und davonrennen sollte, aber ehe meine Muskeln
diesen Befehl in Bewegung umsetzen konnten, war Cyril bereits
bei mir.
    »Entschuldige bitte«, sagte er und berührte mich wie selbstverständlich
an der Hand.
    Er war klatschnass, denn er trug keine Regensachen, und
das Wasser rann in Strömen aus seinem dichten schwarzen
Haar und über sein Gesicht in seinen dunkelblauen Sweater.
    Ich ließ meinen Arm zurückschnellen und schüttelte verärgert
den Kopf. »Was willst du von mir?«
    Er quittierte meinen harschen Tonfall mit einem Lächeln.
    »Mein Leben an deiner Seite verbringen.«
    »Was?«, keuchte ich.
    Bei Cyril musste man immer auf alles gefasst sein, aber mit
einer solchen Antwort hatte ich nun wahrlich nicht gerechnet.
    »Mein Leben an deiner Seite verbringen«, wiederholte er.
»Es gibt niemanden, der mir wichtiger ist als du, Elodie«, fügte
er leise hinzu. Das Lächeln verschwand, seine Miene war jetzt
ernst und sein Blick dunkel und wehmütig. Die Regentropfen,
die in seinen Wimpern hingen, taten ihr Übriges – hätte ich
mich in diesem Moment geweigert, ihm zuzuhören und mit
ihm zu reden, hätte ich mich wie ein Unmensch gefühlt.
    »Hallo, Elodie«, hörte ich Sina rufen. »Du hasst ihn! Schon
vergessen?«
    Ich machte eine unwillige Geste, die sowohl meiner klugen
Freundin galt als auch Cyril.
    »Hör zu, du weißt ganz genau …«, begann ich, brach dann
aber sofort wieder ab. »Hast du mich deshalb herbestellt? Um
mir das zu sagen?«
    Er zog eine Grimasse. »Du weißt es doch längst«, sagte er
und das klang ziemlich frustriert.
    »Gar nichts weiß ich, Cyril. Gar nichts«, blaffte ich. »Du bist
ein einziges riesengroßes Geheimnis für mich.«
    Er wandte den Blick ab und nickte. Um seine Mundwinkel
zuckte es. »Gordian ist es wohl nicht, was?«
    »Nein.« Ich sog geräuschvoll Luft in meine Lungen. »Bei
ihm weiß ich, woran ich bin.«
    Cyril verdrehte die Augen, dann schüttelte er den Kopf.
»Elodie, das denkst du doch nur. In Wahrheit weißt du gar
nichts über ihn. Du hast nicht die geringste Ahnung, wie gefährlich
er ist und was es für die Menschen, die hier leben,
bedeutet, dass er an Land gekommen ist.«
    Ich spürte einen feinen Stich in meinem Herzen. »Und für
dich?«, fragte ich. »Was bedeutet es für dich?«
    Cyril schwieg.
    »Es bedeutet, dass du dein Leben
nicht
an meiner Seite verbringen
kannst«, antwortete ich an seiner Stelle. »Weil dieser
Platz nämlich bereits besetzt ist.«
    »Das ist nicht ganz richtig«, widersprach er. »Der Platz, den
ich
ausfüllen könnte, ist noch nicht
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