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Meeresrauschen

Meeresrauschen

Titel: Meeresrauschen
Autoren: Patricia Schröder
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sich in surrenden Wirbeln im Fensterspalt verfing
und den frischen, salzigen Geruch der Nordsee bis in mein
Zimmer hineintrieb.
    Ich saß schweißüberströmt auf dem Rattansofa, der Fernseher
lief und Ruby hockte neben mir auf dem Boden. Seit Gordys
Aufbruch zu seiner Familie in den Atlantik waren gerade
einmal vier Tage vergangen – sehr unwahrscheinlich also, dass
er schon wieder zurückgekehrt sein konnte.
    »Es tut mir leid«, sagte Ruby leise und strich mir über den
Rücken.
    »Dir?«, fragte ich erstaunt. »Was denn?«
    »Alles«, antwortete sie und hob frustriert die Schultern.
»Dass du ständig diese furchtbaren Träume hast. Deine Angst,
Gordian könnte etwas zustoßen … und vor allem, dass er so
lange auf sich warten lässt.«
    »Tut er doch gar nicht«, entgegnete ich kopfschüttelnd. »Er
hat mir gesagt, dass er mindestens eine Woche fort sein wird.«
Seufzend wischte ich mir mit der Wolldecke eine feuchte
Locke aus der Stirn.
    »Dann ist es ja eigentlich auch nicht nötig, das Fenster die
ganze Zeit offen stehen zu lassen«, sagte Ruby. »Schon gar nicht
bei diesem Sturm.«
    »Es ist doch nur ein Spalt«, erwiderte ich matt.
    »Trotzdem.« Sie erhob sich und schaltete den Fernseher aus,
danach ging sie zum Fenster hinüber, schloss es und legte den
Griff um. »Du solltest dich besser ein bisschen frisch machen«,
meinte sie, nachdem sie sich wieder zu mir umgedreht hatte.
»Ashton wird jeden Augenblick hier sein.«
    »Aha …«, sagte ich abwartend und betrachtete aufmerksam Rubys hübsches, sommersprossiges Gesicht. Seit Elliots bestialischer
Hinrichtung kümmerten sie und Ashton sich wirklich
rührend um mich; bisher war es allerdings eher selten vorgekommen,
dass die beiden – so unzertrennlich sie auch waren –
zur gleichen Zeit hier auftauchten. »Gibt es dafür einen besonderen
Grund?«
    Ruby antwortete nicht, sondern stand einfach nur da, mit
gekreuzten Armen und eingekniffenen Mundwinkeln, und
das machte mich nervös.
    »Jetzt sag schon«, drängte ich sie.
    Sie schien zu überlegen. Schließlich ließ sie die Hände
sinken und kam auf mich zu. »Ja, es hat einen besonderen
Grund«, gestand sie. »Sobald Ashton kommt, werden wir dir
alles erklären.«
    Obwohl es vollkommen unmöglich war, dass ausgerechnet
er und Ruby etwas über Gordys Schicksal erfahren hatten, verwandelte
sich die nagende Sorge, die seit Tagen dumpf auf
meinem Herzen lag, mit einem Schlag in beißende Angst. Die
Erinnerung an unsere letzte Nacht auf den Klippen unterhalb
von Tante Graces Cottage, an Gordys sanfte Umarmungen
und seine zärtlichen Küsse brachte mich schier um.
    Bitte, bitte nicht, war alles, was ich denken konnte, dann
fing ich an zu zittern, und Rubys Gesicht verschwamm vor meinen
Augen.
    Schluchzend sank ich aufs Sofa zurück und nur eine Sekunde
später umfingen mich ihre warmen, tröstenden Arme.
    »Alles ist gut, Elodie«, wiederholte Ruby flüsternd ihre
Worte von eben. »Bitte verzeih mir, ich wollte dich nicht beunruhigen.
« Sanft drückte sie mich an sich. »Es gibt ein paar Neuigkeiten,
aber die haben nichts mit Gordian zu tun … Okay?«
    »Okay.« Ich wischte mir die Tränen aus dem Gesicht, aber
es kamen sofort neue nach. Dieser schreckliche Traum und
Rubys komische Reaktion eben hatten mich ziemlich durcheinandergebracht.
    »Himmel noch mal, Elodie!«, stöhnte sie jetzt. »Deine Flennerei
in allen Ehren, aber sie ändert doch nichts. Sollte deinem
Nix tatsächlich etwas zustoßen, kannst du immer noch
durchdrehen.«
    »Danke, das war hart«, brummte ich und bedachte sie mit
einem finsteren Blick.
    »Stimmt«, gab Ruby mir recht. »Hart, aber wirkungsvoll.«
    Irritiert schüttelte ich den Kopf. »Inwiefern?«
    »Du heulst nicht mehr!«
    »Ähm …« Ich stutzte. »Tatsächlich!«, stellte ich fest und wir
mussten beide lachen.
    »So, und jetzt ab mit dir ins Bad.« Ruby ergriff meine Hände
und zog mich auf die Füße. »Frische Klamotten sind im Kleiderschrank
«, fügte sie augenzwinkernd hinzu. »Aber damit erzähle
ich dir sicher nichts Neues.«

    Ich drehte den Hahn auf und schaufelte mir so lange eiskaltes
Wasser ins Gesicht, bis meine Augen nicht mehr brannten
und meine Haut sich wieder einigermaßen kühl und straff
anfühlte. Auf keinen Fall durfte meine Großtante mich so
sehen. Sie würde mich sofort zur Rede stellen und nicht eher
Ruhe geben, bis ich ihr alles bis ins letzte Detail erzählt hatte.
Ohnehin hielt sie mich unter Beobachtung, als wäre ich eine
Kuh, die jeden
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