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Meeresrauschen

Meeresrauschen

Titel: Meeresrauschen
Autoren: Patricia Schröder
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bizarren Klippen, das Bett
und mich in sein weißes Licht. Ich hatte den Geschmack von
Salz auf der Zunge. Aus meinem rechten Mundwinkel floss ein
feines Rinnsal und kitzelte mich am Kinn.
    Meine Beine brannten wie Hölle, von den Knöcheln bis
zu den Hüften hinauf. So heftig war es selten gewesen, und
eigentlich hatte ich, so dachte ich jedenfalls, mit diesem Phänomen
längst abgeschlossen, aber der Traum hatte meinen
Körper offenbar daran erinnert, dass meine Seele noch längst
nicht geheilt war.
    Die Fensterscheibe vibrierte unter einem Windstoß, der
einen kalten Hauch ins Zimmer schickte und durch die Blätter
der Kübelpflanzen hinter mir raschelte. Ein Frösteln raste
über meine Haut. Zitternd kroch ich aus dem Bett und stellte
fest, dass die Schiebetür fast eine Handbreit offen stand. Der
Spalt, den ich für den Fall, dass Gordy zurückkam, aufgelassen
hatte, war aber nur so schmal gewesen, dass gerade einmal
seine Finger hineingepasst hätten.
    Es musste also jemand hier im Zimmer gewesen sein!
    »Gordy?«, wisperte ich, während ich langsam auf das Fenster
zuging. Meine Knie waren wachsweich und mein Herz trommelte
in schnellem, hartem Rhythmus gegen mein Brustbein.
    Nein, nein, er konnte es gar nicht gewesen sein. Seine Reise
in den Atlantik würde mindestens eine Woche dauern, das jedenfalls
hatte er gesagt – und deshalb war die schwarze Gestalt, die ich zu meinem Entsetzen in diesem Moment dort unten
über die Klippen huschen sah, auch nicht er.
    Hastig schloss ich das Fenster, legte den Riegel um und
presste meine Stirn gegen die Scheibe, in der Hoffnung, etwas
erkennen zu können. Doch in diesem Augenblick schoben
sich neue Wolken vor den Mond und eine Sekunde später war
die Gestalt verschwunden. – Ins Meer abgetaucht, nachdem
sie vor weniger als einer Minute noch hier oben in meinem
Zimmer gewesen war und versucht hatte, mich zu ertränken.

    Hinter der fest verschlossenen Schiebetür fühlte ich mich zwar
einigermaßen sicher, trotzdem war mir sehr schnell klar, dass
ich in dieser Nacht keine Sekunde mehr schlafen würde.
    Inzwischen hatte ich das nasse Shirt gegen ein trockenes getauscht
und auch das Bett neu bezogen, ich brachte es jedoch
nicht über mich, mich wieder hineinzulegen, geschweige denn
die Augen zu schließen.
    Alle zwei Minuten huschte ich zum Fenster und sah auf die
Klippen und das Meer hinunter.
    Den Gedanken, Ruby anzurufen, hatte ich schnell verworfen.
Obwohl ich noch immer am ganzen Körper zitterte und
nicht wusste, wie ich gegen meine Angst ankämpfen sollte,
fand ich es irgendwie übertrieben, sie mitten in der Nacht zu
wecken und ebenfalls in Panik zu versetzen. Außerdem war
es schon eine ganze Weile her, seit ich das letzte Mal mit dem
Handy telefoniert hatte. Wahrscheinlich war der Akku längst
leer. Genau genommen wusste ich nicht einmal mehr, wo ich
das verdammte Ding gelassen hatte.
    »Wolltest du mich wirklich umbringen?«, murmelte ich, während
ich meinen Blick auf die sich brechenden Wellen heftete.
    »Unsinn«, hörte ich Sina sagen. »Wenn er es gewollt hätte,
hätte er es auch getan.«
    Ich spürte so etwas wie Erleichterung, als ich die vertraute
Stimme meiner besten Freundin aus Lübeck in meinem Kopf
vernahm. Sina war zwar längst nicht in alles eingeweiht, ihren
vernunftbetonten Senf gab sie dennoch immer gerne dazu.
    »Aber was wollte er dann?«, fragte ich sie. »Mich warnen?«
    »Vielleicht.« Sina schien zu überlegen. »Bist du dir überhaupt
sicher, dass es ein ER war?«
    Nein, es konnte natürlich genauso gut auch eine SIE gewesen
sein.
    »Ich werde Cyril treffen«, sagte ich. »Ich werde es ihm erzählen.
Angeblich will er reinen Tisch machen. Möglicherweise
hat er auch hierfür eine Erklärung.«
    »Du hast ihm also verziehen?« Unglaube schwang in ihrer
Stimme.
    »Nein! Natürlich nicht!«
    »Warum willst du ihn dann treffen?«
    »Hab ich doch gerade gesagt«, erwiderte ich ungeduldig.
»Weil er mir alles erklären will.«
    »Das könnte auch eine Finte sein«, gab Sina zurück.
    »Ach, Quatsch!«
    »Also, ich würde ihm nicht vertrauen.«
    Ich schnappte mir eine Wolldecke, ließ mich auf das Rattansofa
fallen und schloss stöhnend die Augen. »Ich vertraue
ihm ja auch nicht. Ich hasse ihn. Außerdem treffe ich ihn am
helllichten Tag, wenn jede Menge Leute am Strand sind. Du
brauchst dir also gar keine Sorgen zu machen!«
    »El, du hast noch nie jemanden gehasst! Das allein ist schon
Grund genug, sich Sorgen zu machen«, seufzte
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