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Meeresrauschen

Meeresrauschen

Titel: Meeresrauschen
Autoren: Patricia Schröder
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sie.
    »Ich habe ja auch noch nie jemanden wie Cyril gekannt«,
entgegnete ich.
    Oder Gordy …
    Ich verbannte Sina aus meinem Kopf und begann darüber
nachzugrübeln, wie viel mein Traum mit der Realität zu tun
hatte. Hatte ich gespürt, dass jemand im Zimmer war, und
das mit meinen Traumbildern verwoben? Wieso hatte ich von
Anfang an gewusst, dass ich träume, und warum, zum Teufel,
bin ich nicht wach geworden, als er sich über mich beugte
und mich küsste? – Allein die Vorstellung ließ einen eisigen
Schauer über meinen Rücken rieseln.
    Es musste ein Nix gewesen sein, so viel war klar. Wer sonst
hätte die mehr als zwei Meter große Distanz zum Balkon vor
meinem Zimmer überwinden können? Kyan, Zak und Liam,
die einzigen Delfinnixe, von denen ich wusste und die noch
am Leben waren, schieden allerdings aus. Denn aus dem, was
Gordy mir über ihren Verwandlungsrhythmus erzählt hatte,
schloss ich, dass es ihnen erst in der Neumondnacht am nächsten
Samstag wieder möglich sein würde, an Land zu kommen.
    Wenn es aber kein Delfinnix war, musste es ein Hainix gewesen
sein – ein Landgänger wie Cyril.
    Nein, nein, nein! Ich traute ihm ja wirklich einiges zu, aber
so etwas ganz sicher nicht.
    Da ich ohnehin nicht schlafen oder meinem Gedankenkarussell
entfliehen konnte, schnappte ich mir mein Notebook,
warf einen Blick in mein Postfach und wechselte anschließend
zu Facebook. Vielleicht gelang es mir ja, meine Anspannung
auf diese Weise loszuwerden.
    Auf meiner Pinnwand fand ich einen Eintrag von Sina.
    spiele mit dem gedanken, dich zu besuchen. was hältst du davon?
    »Gar nichts«, murmelte ich.
    Bevor ich nach Guernsey aufgebrochen war, hatte mir die
Vorstellung nicht besonders behagt, ausgerechnet auf die
Menschen, die mir neben Pa am meisten bedeuteten, so lange
verzichten zu müssen. Inzwischen hatte sich das vollkommen
geändert. Natürlich waren mir Mam und Sina noch immer
wichtig, aber mit meinem Leben hier auf der Kanalinsel hatten
sie im Grunde nichts zu tun.
    »Gar nichts, Sina«, wiederholte ich und hinterließ ihr ebenfalls
eine Notiz.
    lass uns irgendwann chatten!
    Ansonsten war nicht viel los im Netz. Klar, keiner meiner
Freunde war um diese Zeit online. Also fuhr ich den Laptop
wieder runter, legte mir die Wolldecke über die Schultern und
richtete meinen Blick zum Fenster. Es war nach wie vor dunkel
draußen und der Himmel noch immer wolkenverhangen, der
Wind schien jedoch etwas nachgelassen zu haben.
    Obwohl ich wusste, dass es wenig Sinn hatte, mir noch weiter
den Kopf darüber zu zerbrechen, wer in meinem Zimmer
gewesen sein könnte, kreisten meine Gedanken unaufhörlich
nur darum. Der Umstand, dass ich keinen Körper gespürt, keinen
Duft wahrgenommen, ja nicht einmal etwas gehört hatte,
machte mich rasend. Noch nie hatte ich ein solch lähmendes
Gefühl der Ohnmacht empfunden!
    Vielleicht wäre es klug gewesen, die Jalousie herunterzulassen.
Es hätte mir Schutz gegeben und das Apartment wäre
von außen nicht mehr einsehbar gewesen. Aber ich wollte das
Meer und die Klippen dort unten im Auge behalten, falls die
Gestalt noch einmal auftauchte.
    Zögernd ließ ich meinen Blick zum Bett hinüberwandern.
Es war meine Insel gewesen, mein sicherer Hafen. Hier hatte
ich getrauert, geträumt und stundenlang mit Gordy gelegen
und geredet. All das hatte mein nächtlicher Besucher in einem
einzigen Handstreich zerstört.

    Irgendwann musste ich dann doch weggenickt sein, denn plötzlich
war es taghell im Zimmer. Mein Nacken schmerzte, weil
ich total verdreht auf dem Sofa lag, außerdem war mein rechtes
Bein eingeschlafen. Ich rieb es so lange, bis es zu kribbeln
anfing, dann stand ich auf und humpelte ins Bad. Die Tür ließ
ich offen, während ich mir eine Anderthalb-Minuten-Dusche
genehmigte, mir rasch die Zähne putzte und mich anzog.
    Mit Jeans und Sweater bekleidet, tappte ich zum Fenster
und blickte eine Weile hinaus. Der Himmel war gleichmäßig
grau und es hatte wieder zu schauern angefangen. Der Regen
fiel in dünnen senkrechten Schnüren herunter, überzog die
Klippen mit einem feuchten Glanz und malte unzählige kleine
Pocken auf die Meeresoberfläche.
    Ausgerechnet bei diesem Mistwetter wollte Cyril mich treffen!
Super! Wahrscheinlich würden wir nun doch mutterseelenallein
am Strand sein.
    Einen Moment rang ich mit mir, ob ich das Fenster nicht doch ein winziges Stück offen stehen lassen sollte, entschied
mich dann aber dagegen. Ich würde nicht lange weg sein und
Gordy würde schon
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