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Meeresrauschen

Meeresrauschen

Titel: Meeresrauschen
Autoren: Patricia Schröder
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hast du
mich auch nicht …
    Gordy unterbrach mich, indem er mit seinem Finger kurz
meine Lippen berührte.
Du weißt genau, warum ich dir bei den
Haien nicht zur Seite gestanden habe.
    Ja, das wusste ich. Aimee wäre ertrunken, hätte Gordian
sich nicht um sie gekümmert. Außerdem wäre die Situation
höchstwahrscheinlich eskaliert, wenn er versucht hätte, mich
gegen meine Artgenossen zu verteidigen.
    Dir war klar, dass sie mir nichts tun würden,
sagte ich.
Und was
jetzt?,
fragte ich, nachdem Gordy mich nur schweigend ansah.
Was willst du jetzt tun?
    Ich suche meine Eltern.
    Aber du wolltest sie doch aus dieser Sache heraushalten!
    Wie ich schon sagte:
Die Dinge haben sich geändert,
entgegnete
Gordian.
Ich glaube nicht, dass sich ein Krieg zwischen Haien und
Delfinen nun noch aufhalten lässt. Du und ich allein werden es jedenfalls
nicht schaffen. Wir brauchen den Rat und die Hilfe anderer.
Vielleicht können wir zumindest noch verhindern, dass auch die Menschen
mit hineingezogen werden.
    Ich hatte genau gehört, was er gesagt hatte, und ich hatte
jedes einzelne Wort und auch deren Bedeutung verstanden.
Mir war klar, welche Gefahr uns allen drohte, dennoch zählte
für mich nur eins.
    Du hast
wir
gesagt.
    Ich kann dich schließlich nicht zwingen, auf den Kanalinseln zu
bleiben,
gab Gordy zurück.
Es ist deine Entschei…
    Ich komme mit dir!,
unterbrach ich ihn.
Egal, wohin du
schwimmst.
    Gordian schloss die Augen und seufzte.
    Hast du etwas anderes erwartet?
    Nein
, sagte er leise.
Ich wünschte nur …
    Was?
    Gordy antwortete nicht gleich, sondern sah mich wieder
nur an.
    Plötzlich streckte er seine Arme nach mir aus und legte seine
Hände um mein Gesicht. Seine Stirn ruhte auf meiner, und
sein Blick war so intensiv, dass mir der Atem stockte.
    … dass du vernünftiger wärst.
    T-tut mir leid,
stammelte ich.
    Ja, mir auch.
    Ich bildete mir ein, ein Lächeln in seinen Augen zu sehen.
Doch ehe ich ihm meine Arme um den Hals schlingen konnte,
hatte er mich auch schon wieder losgelassen.
    Wenn wir Glück haben, finden wir meine Familie vor der Küste
Portugals,
sagte er.
    Und wenn nicht?
    Müssen wir bis Madeira oder sogar bis zu den Kapverdischen Inseln
schwimmen. Für diese Strecke brauchen wir mehrere Tage.
    Kapverdische Inseln … In Gedanken versetzte ich mich in
meine Schulzeit zurück. Es schien mir eine Ewigkeit her zu
sein, dass ich das letzte Mal im Erdkundeunterricht gesessen
hatte, tatsächlich waren seitdem erst zwei Monate vergangen.
    Und ich dachte, sie leben irgendwo mitten im Atlantik …
    Soweit ich mich erinnerte, lagen die Kapverdischen Inseln
aber in unmittelbarer Nähe der afrikanischen Westküste.
    Nicht, seitdem ich hier an Land gegangen bin,
erwiderte Gordy.
Wir haben verabredet, dass sie in der Nähe dieser Inseln auf mich
warten … für den Fall, dass etwas Unvorhergesehenes passiert.
    Aber wieso?,
fragte ich.
In Landesnähe ist es meistens besonders
laut und dreckig.
Das leuchtete mir nun wirklich nicht ein.
Und
du … du brauchst doch überhaupt kein Land. Wieso … ?
    Gordys Miene verschloss sich so plötzlich, dass ich irritiert
abbrach.
    Nein, ich nicht,
sagte er.
Aber damals, als ich mit Cullum und
Ozeane gesprochen habe, konnte ich schließlich noch nicht ahnen,
dass du …
    Jetzt geriet er ins Stocken. Und mir ging vor Freude das Herz
auf.
    Willst du damit sagen, du hättest mich … damals … auf deinem
Rücken bis Madeira getragen?,
hauchte ich.
    Wenn es nötig gewesen wäre, hätte ich dich auf meinem Rücken
durch alle Ozeane dieser Welt getragen.
Gordians Blick wurde für
einen Augenblick ganz warm und weich, ehe er wieder einen
ernsten Ausdruck annahm.
Ab jetzt wirst du es allein schaffen
müssen.

    Diesmal schwamm Gordy eine Schwanzlänge hinter mir, um
den rückwärtigen Meeresbereich im Auge zu behalten, und
wies mir über seine Gedanken den Weg. Je weiter wir uns von
den Kanalinseln entfernten, umso ruhiger und klarer wurde
das Wasser. Der Meeresgrund lag tief unter uns und war nur noch selten von Riffen durchzogen. Unzählige Fischschwärme
zogen an uns vorbei und hin und wieder kreuzte ein Fuchshai,
ein Schweinswal oder eine Delfinschule unseren Weg. Es
wunderte mich allerdings, dass wir keinem einzigen Nix begegneten.
    Mich nicht,
murmelte Gordy.
Ich empfange ihre Signale und
sorge dafür, dass wir nicht in ihre Nähe geraten.
    Natürlich! Wie dumm von mir! Wäre ich allein unterwegs,
hätte ich wahrscheinlich bereits einen ganzen Schwarm von
Nixen als
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