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Meeresrauschen

Meeresrauschen

Titel: Meeresrauschen
Autoren: Patricia Schröder
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belauscht?«
    »Nein, er hat diesen Gedanken immer wieder so laut ausgesendet,
dass ich ihn gar nicht überhören konnte«, erwiderte
Gordy. »Er wollte mich provozieren … und zermürben, indem
er nie etwas über einen möglichen Zeitpunkt verriet. Er hat
damit gespielt, dass mich allein die Vorstellung, er könnte dir
etwas antun, innerlich zerreißt.«
    »Dann ist alles, was hier eben geschehen ist, also nur ein
schreckliches Missverständnis?«, fragte ich ungläubig.
    »Keine Ahnung, Elodie.« Gordy schüttelte den Kopf. »Ich
wusste natürlich, dass Olivia, Joelle und Aimee sich seit ein
paar Tagen auf Herm trafen. Und ich wusste auch, dass Kyan,
Niclas, Pine und Liam dort an Land gegangen sind … Bisher
hatten sie kein Mädchen getötet, und soweit ich das beurteilen
kann, hatten sie auch bis zum heutigen Tag keinen Kontakt
zu Rubys Freundinnen … Ich hätte niemals nach Lübeck kommen
dürfen«, fuhr er stockend fort. »Ich weiß auch nicht …«
Er brach ab. »Ich wollte dir nicht wehtun«, flüsterte er dann.
    »Das wollte ich nie …«
    »Aber?« Mein Herz schlug fest und schnell, und mein Atem
flatterte, als ich Luft einsog.
    »Wir können nicht zusammen sein, Elodie. Das muss dir
inzwischen doch ebenso klar sein wie mir.«
    Und wenn man uns das nur einzureden versucht?
    Gordy sah mich überrascht an. »Das ist Unsinn, Elodie. Wir
beide hätten einander beinahe umgebracht!«
    »Ja … beinahe«,
betonte ich. »Wir haben es aber nicht getan.
So wie ich auch Frederik letztendlich
nicht
getötet habe. Wir
können es kontrollieren.«
    Können wir nicht!
    Ich schloss die Augen und rang um Selbstbeherrschung,
denn am liebsten wäre ich auf ihn losgegangen, um diese hartnäckigen
Zweifel ein für alle Mal aus ihm herauszuschütteln.
    »Gordy, ich werde ganz sicher niemals mehr jemanden küssen
…«, begann ich, während ich meine Lider langsam hob, »es
sei denn, er muss seine Erinnerung verlieren …«
    Ein kaum merkliches Grinsen huschte über Gordians Gesicht.
»Das kannst du gar nicht«, sagte er. »Du bist kein Delfinnix.
«
    Für eine Sekunde war ich irritiert. Dann hob ich die Schultern
und fuhr leise und mit ein wenig zittriger Stimme fort:
»… oder ich möchte ihm damit zeigen, wie sehr ich ihn liebe.«
    Gordys Pupillen sprangen auf und einen Moment lang war
sein Blick dunkel und samtig. Doch nur einen Atemzug später
hatte er seine Gefühle bereits wieder im Griff. Seine Iris
leuchtete in einem kühlen Türkis und seine Körperhaltung
straffte sich.
    »Elodie, bitte«, flehte er, »die Lage hat sich geändert. Wir
können nicht …«
    Ich ließ ihn nicht ausreden. »Sag mir die Wahrheit«, forderte
ich ihn auf. »Warum bist du nach Lübeck gekommen?«
    »Das weißt du doch.«
    »Nein, das weiß ich eben nicht!«
Als ich das Traveufer verlassen
wollte, hast du nach mir gerufen! Du hast mich gezwungen, mich
umzudrehen.
    Ich wollte sehen, ob meine Bisse dich entstellt haben.
    Das ist doch Unsinn, Gordy! Ich bin eine Halbnixe. Bei mir verheilen
Wunden dieser Art ohne Komplikationen. Ich glaube, ich habe
nicht einmal eine Narbe zurückbehalten.
    Gordian berührte flüchtig meine Wange und schluckte
schwer.
    Das stimmt nicht ganz …,
entgegnete er,
und ich kann dir gar
nicht sagen, wie leid es mir tut.
    »Es ist nichts gegen das, was du mir gerade antust«, flüsterte
ich, woraufhin Gordian schuldbewusst den Blick senkte.
»Also, bitte, gib mir eine Erklärung, die ich nachvollziehen
kann«, drang ich weiter in ihn. »Warum bist du nach Lübeck
gekommen? Wie hast du mich überhaupt dort gefunden?«
    Er schwieg, und wieder einmal konnte ich aus seiner Miene
nicht herauslesen, was in ihm vorging. Plötzlich streckte er
seine Hand aus und umfasste meinen Oberarm.
    Ich verspreche dir, ich werde dir alles erklären,
sagte er in beschwörendem
Tonfall.
Später. Die Mädchen am Strand haben gesehen,
was ich bin. Außerdem werden Kyan und die anderen Delfinnixe
nicht hinnehmen, dass deine Artgenossen drei von ihnen getötet
haben. Ich kann hier nicht bleiben …
Sein Blick tauchte so tief in
mich ein, dass mir schwindelig wurde.
Und du auch nicht.

    Wir schwammen den ganzen Nachmittag bis spät in den Abend
hinein, als das kräftige Orange der untergehenden Sonne sich
längst verloren hatte und die hereinbrechende Nacht das Meer
allmählich in Dunkelheit tauchte. Gordian hielt sich konstant
eine Schwanzlänge voraus, er suchte die Deckung der Riffe,
mied aber die Nähe des Meeresgrunds.
    Vor vielen Jahren
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