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Medusa

Medusa

Titel: Medusa
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Versprechen, das ich gegeben habe. Das Versprechen, diesen Ort geheim zu halten.«
    Jetzt war es raus.
    »Geheim halten?«, schnappte Neadry. »Soll das etwa heißen, dass wir hier nicht filmen dürfen?« Er kam mit gesenktem Kopf auf sie zu. »Das kann doch nicht dein Ernst sein. Und selbst wenn es das ist, liegt die Entscheidung, ob wir filmen dürfen, in den Händen der zuständigen Behörden. Und die können wir kaufen.« Er funkelte sie an.
    »Halt, halt. Nur die Ruhe.« Irene stellte sich schützend vor Hannah. »Ich bin sicher, dass es dafür eine Erklärung gibt, nicht wahr?«
    Hannah verschränkte die Arme vor der Brust. »Es tut mir Leid, wenn ich euch jetzt die gute Laune verdorben habe, aber was ihr hier seht – und vor allem, was ihr gleich noch sehen werdet –, sind geweihte Orte. Die Tuareg suchen sie seit Tausenden von Jahren auf, um hier ihre spirituelle Mitte zu finden. Da sie weder über Kathedralen noch Moscheen verfügen, wählen sie sich markante Punkte in der Landschaft, um ihre Gebete zu verrichten. Diese Orte sind aufgeladen mit Energie, das werdet ihr spüren. Man hat mir dieses Tal unter der Bedingung gezeigt, dass ich es geheim halte. Andererseits halte ich den Fund für so wichtig, dass ich davon berichten musste. Das ist das Dilemma, in dem ich stecke. Sicherlich haben die Tuareg nichts gegen ein paar Wissenschaftler einzuwenden, die hier forschen und einen Film darüber drehen, aber wenn wir die genaue Lage bekannt geben, kommen Scharen von Touristen. Und ihr könnt euch vorstellen, was das bedeutet.«
    »Na, großartig!« Neadry schüttelte den Kopf. »Warum sind wir überhaupt hier? Fünf Monate Vorbereitung, endlose Verhandlungen, zehntausend Kilometer Flug – und dann heißt es: Bitte nicht filmen!«
    »Wir finden bestimmt eine Lösung.« Irene strich sich über ihre Haare. »Nicht wahr, Hannah?«
    »Die gibt es: Ich möchte euch bitten, die genaue Lage dieses Ortes geheim zu halten. Keine Längen- und Breitengrade, keine Ortsnamen und dergleichen. Man könnte sogar bewusst unklare Daten verwenden, um die sensationslüsterne Meute auf eine falsche Fährte zu locken. Natürlich könnt ihr auch die Behörden bestechen. Für die wäre das ein gefundenes Fressen. Aber ich bitte euch von ganzem Herzen: Tut das nicht. Wenn ihr die Schlucht seht, werdet ihr mich verstehen.«
    Irene stemmte die Hände in die Hüften. »Also ich finde die Idee gut. Natürlich müssen wir uns erst mal ein Bild von der Situation machen, aber ich glaube, der Vorschlag ist akzeptabel. Nicht wahr, Malcolm?«
    Der Kameramann brummte etwas Unverständliches, nickte aber. Auch die restlichen Teammitglieder zeigten sich einverstanden.
    »In Ordnung, Hannah«, fuhr Irene fort und klatschte in die Hände. »Das wäre geklärt. Und jetzt zeig uns deinen Schatz. Ich muss gestehen, ich bin so aufgeregt, dass ich es kaum noch aushalte.«
    Hannah lächelte erleichtert. »Also gut, dann will ich euch erlösen. Folgt mir.«

3
    Chris Carter spürte einen kühlen Wind auf der Haut, als sie sich im Gänsemarsch der Schlucht näherten. Niemand wagte zu sprechen oder unnötige Geräusche zu machen. Lediglich das steinige Knirschen unter ihren Schuhsohlen durchbrach die Stille. Seine Nerven waren gespannt. Er spürte, dass hier etwas Besonderes auf sie wartete. Aus unerklärlichen Gründen hatte auch Norman Stromberg, sein Auftraggeber, das gespürt, als er ihn auf diese geheime Mission angesetzt hatte. Die Nase seines Chefs in solchen Dingen war legendär. Diesem untrüglichen Gespür hatte er es zu verdanken, dass aus ihm einer der wohlhabendsten und einflussreichsten Männer der Welt geworden war. Und einer der größten Kunstsammler dazu. Genau darum ging es bei diesem Auftrag. Um Kunstschätze von historischen Dimensionen. Chris war einer seiner erfolgreichsten Scouts, wie man diese Spürhunde in der Branche nannte.
    Während er Malcolm, Irene und Hannah folgte, dachte Chris über die komplizierten Verflechtungen des Netzwerkes nach, dem er angehörte. Strombergs Scouts waren rund um den Globus tätig. Wo immer sich eine Gelegenheit bot, waren sie angehalten, Kunstwerke aufzukaufen. Inzwischen gehörten Stromberg Höhlen in Südfrankreich, Paläste in Indien, Tempel in Japan und Schiffe, die mitsamt ihren Schätzen in den Tiefen des Meeres versunken waren. Sein Hunger auf Relikte mit einer außergewöhnlichen Geschichte war unstillbar – und sein Bankkonto unerschöpflich. Und jetzt sollte seiner Sammlung eine ganze
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