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Media Control

Media Control

Titel: Media Control
Autoren: Noam Chomsky
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Die Regierung Wilson hatte sich jedoch auf den Kriegseintritt festgelegt und mußte nun etwas gegen die friedfertige Stimmung unternehmen. Es wurde eine Propaganda-Agentur, die so genannte Creel-Kommission, auf die Beine gestellt, der es innerhalb von sechs Monaten gelang, die Bevölkerung in eine hysterische Begeisterung zu versetzen. Jetzt auf einmal wollte man alles Deutsche vernichten, die Deutschen in Stücke reißen, in den Krieg ziehen und die Welt retten. Dieser propagandistische Erfolg führte zu weiteren Unternehmungen ähnlicher Art: Nach dem Krieg benutzte man die gleichen Techniken, um die »Angst vor den Roten« (Red Scare) zu schüren, wobei es gelang, der Gewerkschaftsbewegung schweren Schaden zuzufügen und so gefährliche Probleme wie die politische Meinungs- und Pressefreiheit zu beseitigen. Geschäftswelt und Medien sekundierten bei diesem Unterfangen, das insgesamt ein großer Erfolg wurde.
    Zu denen, die sich aktiv und begeistert an Wilsons Kriegstreiberei beteiligten, gehörten auch progressive Intellektuelle aus dem Kreis um John Dewey, die, wie man ihren Schriften entnehmen kann, sehr stolz darauf waren, daß es den (so ihre Worte) »intelligenteren Mitgliedern der Gemeinschaft«, nämlich ihnen selbst, gelungen war, durch Verbreitung von Schreckbildern und nationalistischem Fanatismus der Bevölkerung den Krieg schmackhaft zu machen. Dazu waren ihnen so ziemlich alle Mittel recht, wie etwa die »Greuelpropaganda«, die den abfällig »Hunnen« genannten Deutschen das Zerstückeln belgischer Kinder und andere Grausamkeiten andichtete, die in manchen Geschichtsbüchern immer noch zu lesen sind. Vieles davon beruhte auf Erfindungen des britischen Propagandaministeriums, das damals, wie sich geheimen Unterlagen entnehmen läßt, das Ziel verfolgte, »die Gedanken fast der gesamten Welt zu lenken«. Vor allem aber wollte man die Gedanken der »intelligenteren Mitglieder der Gemeinschaft« in den Vereinigten Staaten lenken, damit die von den Briten zusammen-gekochte Propaganda dort Verbreitung finden und eine friedliche Bevölkerung in Kriegshysterie stürzen könne. Das gelang sehr gut, und man konnte eine Lehre daraus ziehen:
    Die Wirkungen staatlicher Propaganda sind umso größer, je mehr sie von den gebildeten Schichten unterstützt und keine Kritik daran zugelassen wird. Diese Lektion haben Hitler und viele andere gelernt, bis auf den heutigen Tag.
    Demokratie für Zuschauer
    Ebenso beeindruckt von diesen Erfolgen waren liberaldemokratische Theoretiker und führende Persönlichkeiten der Medien wie etwa Walter Lippmann, der Doyen der amerikanischen Journalisten, ein einflußreicher Kritiker der Innen- und Außenpolitik der USA und ein großer Theoretiker der liberalen Demokratie. Lippmann war an den Propagandakommissionen beteiligt gewesen und hatte den Wert ihrer Errungenschaften erkannt. Er meinte, daß eine von ihm so genannte »Revolution in der Kunst der Demokratie« dazu führen könnte, »Konsens herzustellen« (manufacturing consent), d.h. mittels der neuen Propagandatechniken die Öffentlichkeit auf Ereignisse einzustimmen, die sie eigentlich ablehnt. Er hielt dies für eine gute, ja sogar notwendige Idee, weil, wie er sagte, »das Interesse des Gemeinwesens sich der öffentlichen Meinung völlig entzieht« und nur von einer »spezialisierten Klasse ... verantwortlicher Männer«, die über das notwendige Wissen verfügen, begriffen und in Angriff genommen werden kann. Seiner Theorie zufolge kann lediglich eine kleine Elite - die Gemeinschaft der Intellektuellen, von der die Dewey-Anhänger sprachen - das Interesse der Allgemeinheit adäquat in die Tat umsetzen. Das ist eine sehr alte und zugleich typisch leninistische Sichtweise, die hervorragend mit Lenins Konzept einer revolutionären Avantgarde harmoniert. Diese Avantgarde ist, so Lenin, dazu befugt, aufgrund einer allgemeinen Revolution die Staatsmacht zu übernehmen, um die Bevölkerung dann einer Zukunft entgegenzuführen, die außerhalb der begrifflichen Reichweite der dumpfen Massen liegt. Insofern gehen liberaldemokratische Theorie und Marxismus-Leninismus von gemeinsamen ideologischen Voraussetzungen aus. 10
    Lippmann unterfütterte diese Anschauungen mit einer ziemlich ausgefeilten Demokratie-Theorie. Eine gut funktionierende Demokratie bestehe, so meint er, aus zwei unterschiedlichen Klassen von Bürgern. Zur einen Klasse gehören diejenigen, die aktiv mit den Angelegenheiten der Allgemeinheit betraut sind, d.h.
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