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Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)

Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)

Titel: Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)
Autoren: Isabel Allende
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Nini gesagt haben. Den Satz habe ich oft von ihr gehört.
    Den letzten Teil der Legende muss ich mir nicht ausdenken, den haben sie mir erzählt. Nach dieser ersten Nacht kam meine Nini zu dem Schluss, dass sie den Astronomen aus früheren Leben und anderen Epochen kannte, es sich um eine Wiederbegegnung handelte und ihre Sternzeichenund ihre Arkana im Tarot einander ergänzten. »Zum Glück bist du ein Mann, Paul. Stell dir vor, bei dieser Reinkarnation hättest du meine Mutter sein müssen …«, seufzte sie und setzte sich auf seinem Schoß zurecht. »Da ich nicht deine Mutter bin, was würdest du davon halten, wenn wir heiraten?«, antwortete er.
    Zwei Wochen später kam sie nach Kalifornien, hatte ihren Sohn im Schlepptau, der nicht zum zweiten Mal auswandern wollte, und ein Verlobtenvisum für drei Monate, nach deren Ablauf sie heiraten oder das Land verlassen musste. Sie heirateten.
    An meinem ersten Tag in Chile streifte ich mit dem Stadtplan in der Hand ziellos durch die trockene Hitze von Santiago und schlug die Zeit bis zum Abend tot, wenn der Bus in den Süden abfahren würde. Die Stadt ist modern, sie hat nichts Exotisches oder Malerisches, keine Indios in bunten Trachten oder kolonialen Viertel in gewagten Farben, wie ich sie mit meinen Großeltern in Guatemala und Mexiko gesehen habe. Ich fuhr mit einer Drahtseilbahn hoch auf einen Hügel, was jeder Tourist getan haben soll, und bekam eine Vorstellung von den Ausmaßen der Stadt, die kein Ende zu nehmen scheint, und vom Smog, der als trübe Dunstglocke darüber liegt. Am Abend stieg ich in einen apricotfarbenen Bus in Richtung Süden, nach Chiloé.
    Eingelullt vom Schaukeln des Gefährts, dem Schnurren des Motors und dem Schnarchen der anderen Fahrgäste, versuchte ich zu schlafen, was mir nicht gelang, denn schlafen ist mir nie leicht gefallen und fällt mir heute, mit den Überresten meines früheren Lebenswandels im Blut, schwerer denn je. Im ersten Morgenlicht hielten wir an einer Raststätte, konnten auf die Toilette gehen und einen Kaffee trinken, und dann fuhren wir durch liebliche Landschaften stundenlang weiter, grüne Hügel und Kühe rechts und links, bis zu einem schlichten Parkplatz, wo wir unseretauben Glieder strecken und von ein paar Frauen in weißen Krankenschwesternkitteln Empanadas mit Käse und Meeresfrüchten kaufen konnten. Der Bus fuhr auf eine Fähre, die uns über den Kanal von Chacao bringen sollte: eine stille halbstündige Fahrt über ein glitzerndes Meer. Zusammen mit den anderen Fahrgästen, die nach dem langen eingepferchten Sitzen genauso steif waren wie ich, verließ ich wieder den Bus und lehnte mich an die Reling. Den schneidenden Wind im Gesicht, sahen wir den Schwalben zu, die in Schwärmen am Himmel gaukelten wie Taschentücher, und den Weißbauchdelfinen, die manchmal ganz nah an das Boot herankamen.
    Der Bus brachte mich in die zweitwichtigste Stadt des Archipels, nach Ancud auf der Isla Grande. Dort hätte ich umsteigen und weiter in das Dorf fahren sollen, wo Manuel Arias mich erwartete, musste jedoch feststellen, dass mein Geldbeutel verschwunden war. Meine Nini hatte mich vor den chilenischen Taschendieben und ihren Zaubertricks gewarnt: In aller Freundlichkeit rauben sie dir die Seele. Zum Glück steckten das Foto meines Großvaters und mein Pass noch in der anderen Tasche meines Rucksacks. Ich war allein, ohne einen Centavo, in einem unbekannten Land, aber wenn ich durch meine unseligen Abenteuer des letzten Jahres etwas gelernt habe, dann, mich nicht von kleineren Widrigkeiten umhauen zu lassen.
    In einer der Buden mit Kunsthandwerk am Marktplatz, wo chilotische Wollsachen verkauft wurden, saßen drei Frauen zusammen, strickten und unterhielten sich, und ich dachte, wenn sie wären wie meine Nini, dann würden sie mir helfen, jedenfalls behauptet sie immer, Chileninnen würden jedem beispringen, der in der Klemme steckt, vor allem wenn er fremd ist. In meinem tastenden Spanisch erklärte ich den dreien meine Lage, und gleich legten sie ihr Strickzeug weg und boten mir einen Stuhl an und brachten mir eine Orangenlimonade und beratschlagten unterdessen, was zu tun sei, wobei sie einander ständig ins Wort fielen. Nach mehreren Telefonaten mit dem Handy hatten sie einen Cousin aufgetrieben, der in meine Richtung fuhr und mich mitnehmen konnte; er würde in zwei Stunden aufbrechen und hätte nichts dagegen, einen kleinen Umweg zu machen, um mich zu meinem Treffpunkt zu bringen.
    Ich nutzte die Wartezeit, sah
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