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Max, mein Großvater und ich

Max, mein Großvater und ich

Titel: Max, mein Großvater und ich
Autoren: Audrey Couloumbis
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hatte ich noch nie erlebt.
    Mir war schon wieder zum Weinen zumute.
    Sogar morgens sah sie aus, als schlafe sie gar nicht wirklich tief, wenn ich in ihr Zimmer kam. Es war immer so, als wüsste irgendein kleiner Teil ihres schlafenden Gehirns, wo ich war. Ich konnte mich zwar in ihr Zimmer schleichen, aber mir war klar, wenn sie ein Fahrrad im Schrank gehabt hätte, wäre sie sofort hellwach gewesen.
    » Es ist alles okay mit ihr«, beruhigte mich Stan.
    Wenigstens fühlt sie sich warm an, dachte ich. Das heißt, dass sie nicht tot ist. » Also dann«, sagte ich. » Wir können gehen.«
    » Sicher?«
    Irgendwie wollte ich weg. » Mrs Buttermark wartet auf mich. Die macht sich vielleicht schon Sorgen.«
    Ich hatte sie wirklich gern sehen wollen und war froh, dass ich zu ihr konnte. Aber es war ein schreckliches Gefühl, neben ihr zu stehen und ihr nicht sagen zu können, wie gruselig ich das alles fand. Nicht dass ich Angst hatte, gleich wieder loszuheulen. Nein, ich hatte Angst, ich könnte ihr Handgelenk umklammern und nicht wieder loslassen, wie damals, als ich wirklich noch klein war und nicht in den Kindergarten wollte.
    Während der Fahrt redete Stan davon, wie cool er sich Ma und Tante Ginny und Suzie vorstellte. Er fragte mir ein Loch in den Bauch. Aber nicht aus Neugier. Eher voll Bewunderung.
    Ich erzählte ihm, dass Suzie nicht von männlich und weiblich, sondern von maskulin und feminin spricht. Für sie ist alles Wissenschaft. Und dass Tante Ginny eine Draufgängerin sei, so nennt Ma sie immer. » Wenn Tante Ginny meine Ma wäre, hätte ich längst ein Fahrrad«, sagte ich.
    » Hat deine Ma was gegen Fahrräder?«
    » Mein Dad ist auf dem Rad von einem Lastwagen überfahren worden. Deshalb hat sie ein bisschen Angst davor.«
    » Das muss hart für sie sein. Klar.«
    Ich wünschte mir ein Rad. Aber ich konnte nicht mal sauer sein, weil ich keins bekam, das war das Schlimme. Ich verlagerte auf dem Beifahrersitz mein Gewicht, um meinen Hintern zu entlasten, da wo er wehtat.
    Ich hielt Moms Jacke auf dem Schoß, sie roch nach ihr. Teils nach Currypulver, weil sie gern damit kocht, teils nach dem Orangenduft ihrer Gesichtscreme und teils nach diesen trockenen silbernen Pflanzen mit den runden Blättern, die sie in der ganzen Wohnung stehen hat. Ich wurde sehr müde im Auto. Ich glaube, ich schlief einen Moment lang ein.
    Mrs Buttermark empfing Stan und mich an der Tür, schön angezogen, als wolle sie ausgehen. Dass sie sich extra fein machte, wenn sie sich mit Leuten traf, erinnerte mich daran, wie alt sie schon war. » Möchten Sie hereinkommen?«, fragte sie ihn. » Ich bin berühmt für meine heiße Schokolade!«
    » Nein, danke«, erwiderte Stan.
    Mrs Buttermark lässt sich nicht unterbuttern, sagt Ma immer. In circa drei Minuten hatte sie Stan in der Küche und war ganz begeistert von ihm. Er sei einer von diesen jungen Männern, zu denen man aufschaut. » Ihre Mutter muss sehr stolz auf Sie sein!«, meinte sie.
    Bevor sie Stan gehen ließ, sagte er ihr noch, wer Ma vielleicht operieren würde und für sie zuständig war. Sie bekam alles Mögliche heraus, was ich sonst nie erfahren hätte.
    » Ma nennt Sie immer wie diese berühmte Spionin, und da ist echt was dran.«
    » Mata Hari«, sagte Mrs Buttermark.
    » Aber sie meint es nicht böse«, versicherte ich rasch, falls ich sie vielleicht gekränkt hatte. » Ma liebt Sie!«
    » Als Mata Hari bezeichnet zu werden, ist ein Riesenkompliment, mein Schatz. Die war nicht auf den Kopf gefallen.«
    Ich zog meine Jacke aus und hängte sie an dieses Ding, das Hutständer heißt. Man darf nie nur eine Jacke dranhängen, sonst kippt es um.
    » Stan hat mir nicht mal halb so viele Sachen erzählt wie Ihnen.«
    » Du kannst ja noch gar nicht wissen, welche Fragen man stellen muss«, sagte sie und half mir, die Jacken aufzuhängen. Moms Jacke auf der einen Seite, und gegenüber meine Jacke und Mrs Buttermarks Mantel, so war es richtig.
    » Manches kommt erst mit der Erfahrung«, sagte sie jetzt. » Mein Harry war ja zweimal im Krankenhaus, bevor– na ja, bevor seine Frist abgelaufen war. Ich hab jedenfalls das Gefühl, dass deine Mutter in sehr guten Händen ist.«
    » Okay.« Ich steuerte auf die Küche zu.
    » Schenk dir ein Glas Milch ein und bedien dich. Mach dir ein Brot oder wärm dir die Bohnensuppe auf, sie steht im zweiten Fach von oben«, sagte sie, als ich in den Kühlschrank guckte.
    Ich fühlte mich bei Mrs Buttermark wie zu Hause, und sie sich bei uns
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