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Mauer, Jeans und Prager Frühling

Mauer, Jeans und Prager Frühling

Titel: Mauer, Jeans und Prager Frühling
Autoren: Bernd-Lutz Lange
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Da sehen es viele. Dort sehen wir uns nach weiteren Stellen um.«
    Wir verabschiedeten uns von Herrn Lüttich und zogen los. Die Tür zum Bosehaus war offen. Kein Mensch zu sehen. Erregung packte mich. Ich nahm die Kreide, und schon stand »Dubček« auf dem Holz.
    Im Volkspolizeikreisamt Leipzig erstattete der Hauptmannder Volkspolizei Horst Kinitz 05.50 Uhr Anzeige: »… daß am Mi. 28.08.1968 gegen 00.20 Uhr, in 701 Leipzig, Thomaskirchhof Nr. 16, am Eingang zum Kabarett Leipziger Pfeffermühle, mit weißer Kreide Dubček geschmiert wurde. Verdächtigt: Unbekannt Delikt/Rechtsgrundlage: Staatsverleumdung § 220 StGB Geschädigt: DDR Begehungsweise: Täter schmiert mit weißer Kreide an Hauswand«.
    Es war zwar die Tür, aber das ist jetzt mal sekundär. Davon erfuhr ich natürlich erst viel später. Genau 31 Jahre danach. 1968 hätte ich mir nicht träumen lassen, daß ich mit dem Schreiben des Wortes »Dubček« eine Staatsverleumdung beging! Schließlich stand dieser Name sogar im »Neuen Deutschland«! Aber zu unpassender Zeit und an unpassendem Ort, so stellte sich heraus, kann man auch mit dem Schreiben eines Namens die DDR schädigen.
    Doch zurück zu jener Nacht im August. Wir liefen zur Petersstraße, betraten die Passage … so war es mir in Erinnerung, aber es gab jemanden auf dieser Welt, der es besser wußte: der Utln.d.VP Rudolf Berger. Im Vernehmungsprotokoll dieses Zeugen las ich:
    »Am Mittwoch, dem 28.08.1968 versah ich meinen Dienst in der Innenstadt von Leipzig. Gegen 00.10 Uhr bemerkte ich in 701 Leipzig, Preußergasse, 2 männliche Personen, die sich in Richtung Neumarkt bewegten. Diese Personen führten jeder eine Aktentasche mit sich. Auf Grund der Vorkommnisse mit Hetzzetteln in den letzten Tagen, hielt ich es für möglich, daß diese solche Schriften mit sich führen. Mein Verdacht wurde durch das Verhalten der einen Person, der in seine Aktentasche etwas nachschaute …« – Hier unterbreche ich kurz das Zitat von Utln.d.VP Rudolf Berger, um Ihnen zu sagen, daß es sich nicht um einen Druckfehler, sondern um einen Originalsatz handelt!
    »… Deshalb habe ich die Personen verfolgt. Sie gingen erst in den Eingang zur Gaststätte ›Erdener Tröpfchen‹ …«
    Hier muß ich noch einmal unterbrechen: die Gaststätte hieß nach einer Weinmarke »Erdener Treppchen«, da aber aus beiden Wörtern im Sächsischen »Drebbchen« wird, hat der Utln. natürlich bei einem Lokal sofort an die »Tröpfchen« gedacht, die man dort zu sich nimmt.
    »… wo sie ca. 2 Minuten verweilten. Dann schauten sie sich die Fenster des Städtischen Kaufhauses an und bewegten sich dann weiter zur Messehof-Passage, die sie durchliefen. In der Passage befindet sich der Wirtschaftseingang vom Messehaus Messehof. Die Tür des Wirtschaftseinganges ist ca. 1 m nach innen versetzt, so daß sie vom Eingang der Passage nicht eingesehen werden konnte. Einer der betreffenden Personen ging in diesen Eingang, während die andere Person stehen blieb und sich auffällig umsah.«
    Ich schrieb wieder, und mein Bekannter paßte auf. Plötzlich bemerkte er am Eingang vom Neumarkt einen Mann, der zu uns herübersah und schnell verschwand.
    Er warnte mich: »Da hat einer geguckt.«
    »Dann verschwinden wir lieber von hier.«
    »Die Person, welche in den Eingang gegangen ist, kam nach ca. 1 Minute wieder und beide entfernten sich in Richtung Petersstr. Auf Grund meines Verdachts lief ich sofort zum bezeichneten Eingang und überprüfte diesen. Dabei stellte ich fest, daß am rechten Pfeiler ein Kasten angebracht ist. Auf der Tür des Kastens stand mit weißer Kreide ›Dubček‹ geschrieben.«
    Ich vermute, jetzt war der Genosse Berger genauso aufgeregt, wie ich es beim Schreiben gewesen war.
    »Da ich der Annahme war, daß dieses Wort durch die von mir verfolgten Personen geschrieben worden war, versuchte ich die Selben zu stellen. Ich habe sie aber nicht mehr gesehen. Deshalb suchte ich die nächste Telefonzelle auf und verständigte das VPKA über das Vorkommnis. Man sagte mir, daß sofort ein Funkwagen kommen würde.Als der Wagen kam bin ich eingestiegen und wir suchten die umliegenden Straßen nach Personen ab.«
    Wir liefen durch die Königshauspassage, passierten die Arkaden am Alten Rathaus, dann die ziemlich dunkle Katharinenstraße und bogen beim Brühl links um die Ecke.
    »Im Brühl sah ich die gesuchten Personen in Richtung Friedrich-Engels-Platz laufen.«
    Nach einigen Schritten quietschten hinter uns Bremsen. Zwei
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