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Mata Hari

Mata Hari

Titel: Mata Hari
Autoren: Enrique Gomez Carrillo
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über diesen Vorschlag, antwortet der Fischer der Prinzessin, es wäre Wahnsinn, was sie verlange, denn die Muschel würde bewacht von einem Ungeheuer, das jeden, sobald er sich ihr naht, verschlingt. Aber sie läßt nicht nach, sie verlegt sich aufs Schmeicheln; sie berauscht ihn mit ihren Blicken, und schließlich taucht der Fischer ins Meer hinab, kehrt zurück, halbtot und geschunden aus dem Kampf mit dem Ungeheuer. So überreicht er der Prinzessin die Perle. Und die Prinzessin streichelt das blutbefleckte Kleinod, tanzt und tanzt und ist hingerissen von Entzücken über diesen Besitz ... Mir ist es, offen gesagt, nicht gelungen, den religiösen Kern in dieser Sage aufzufinden; dagegen konnte ich mir sehr gut die Begeisterung erklären, die bei der Pariser Künstlerschaft mit ihrem ständigen Hunger nach exotischen Sensationen gerade diese Tänzerin auslöste. Denn in Mata Hari, die so vortrefflich die tragische Koketterie spielte, mit dieser Koketterie das Leben eines Menschen forderte, um dafür mit teuflischer Freude einen Kuß zum Lohn zu geben und alles das nach vorausgegangener Sättigung mit den grausamsten Reizen; in dieser Mata Hari steckte eine leidenschaftliche Flamme, die alles mögliche vortäuschen, mitreißen, Furcht einflößen konnte ...
    In ihren Memoiren erwähnt die Tänzerin auch diesen Abend bei dem Gesandten von Chile, aber nur nebenbei, wenn dagegen die Prinzessin Murat sie einladet, sich in ihrem Palais gleichsam nackt zu zeigen oder wenn der Prinz del Drago ihr zu Ehren ein Fest gibt, dann merkt man den Stolz, womit sie diese Namen in ihren schriftlichen Erinnerungen festhalten will.
    Noch mehr Stolz liest man heraus, wenn sie am Ende der Memoiren gesteht, daß sie eine fürstliche Wohnung im Palasthotel auf der Avenue des Champs-Elysees und einen eigenen Wagen besitzt. Welch ein Gemisch von Eitelkeit und Einfalt! Sie merkt nicht, während sie das ihrem Vater schreibt, daß jeder, der ungefähr weiß, was eine Künstlerin verdient, das Recht hat, zu glauben, dieser Luxus könne unmöglich nur aus den Einnahmen der gesellschaftlichen Soireen, der Vorstellungen in der Olympia und der Vorführungen im Museum der Religionen bestritten werden. Bei einer Frau, die so völlig Herrin ihrer selbst, so vorsichtig, so zurückhaltend ist, erscheint eine derartige Unachtsamkeit um so rätselhafter, als sie auf jeder Seite ihres Buches sich eifrigst bemüht, an ihre tadellose Lebensführung glauben zu machen, ihr Gatte also, wenn er behauptet, sie schleife seinen Namen durch zweifelhafte Nachtkabaretts, sie verleumde.
    »Beweis hierfür ist,« so sagt sie nochmals, »daß, als Anfang 1906 er selbst die Scheidung verlangt, die mir verweigert wurde, man nicht das geringste gegen meine Lebensführung in Holland und Java einwenden konnte.« Damit schließt sie ihre Bekenntnisse und scheint nicht zu ahnen, daß mancher Leser unbescheiden genug sein wird, vor sich hinzumurmeln: – In Java und in Holland? ... Möglich ... Aber in Paris??
     

Die Bajadere
     

 
    Die wollustschwangere Luft der intimen Feste, wobei ihre Anbeter nach feierlichen Opfern reicher Mahlzeiten sie mit der ganzen Glut ihrer Huldigungen umgaben, zeitigte in Mata Hari etwas ganz Seltsames. In einem Anfall von Heimweh gefiel sie sich, klösterliche Kindheitserinnerungen heraufzubeschwören. Aber nicht das Bild einer Beguinenanstalt an den Ufern eines nebligen Kanals tauchte in ihrer Seele auf. O nein. Was sie ein paar Jahre früher über ihre Herkunft niedergeschrieben hatte, schien in solchen Augenblicken völlig vergessen. Sie, eine Europäerin? Tochter eines ehrenwerten Kaufmanns in Leeuwarden? Zögling der Schule von Cammingha State? Woher denn? Ihre jetzige Form war frei von jeder Bürgerlichkeit. Was sie zeigte, war ein Märchen, ein Märchen aus »Tausendundeinernacht«, ein Märchen in Blau, Gold und Purpur, worin die fremdartigsten Bilder beim Rhythmus exotischer Musik sich folgten.
    Ich kam zur Welt, so lautet es jetzt aus ihrem eigenen Munde, im Süden Indiens, an der Küste von Malabar in einer heiligen Stadt, namens Jaffuapatam, im Schoße einer Familie, die zur geweihten Kaste der Brahmanen gehört. Mein Vater Suprachetty hieß seines barmherzigen und frommen Sinnes wegen allgemein Assirvadam, das bedeutet
Gottes Segen
. Meine Mutter, eine berühmte Bajadere des Tempels Kanda Swany, starb mit vierzehn Jahren am Tage meiner Geburt. Nachdem die Priester sie zu Asche verbrannt hatten, nahmen sie mich bei sich auf und
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